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Spektrum unterwegs: Das Böse wird poppig

Der Teufel hat in Bremen Einzug gehalten. Er ist der Star der aktuellen Ausstellung "All about Evil", die unseren Umgang mit dem Bösen thematisieren will. Und so wimmelt es im Bremer Überseemuseum von Dämonen, Hexen und Mephistophelen. Wer jedoch eine kritische Auseinandersetzung sucht, wird enttäuscht.
Rangda-Maske aus Bali
Dämon Kala Sungsang | Das Bild des Dämons Kala Sungsang wird über die Tür gehängt, um das Haus und seine Bewohner vor allem Bösen zu beschützen. Dieses Bild stammt aus der Sammlung des Tropenmuseums Amsterdam und ist etwa 65 Jahre alt.
Auf der Bühne im Bremer Überseemuseum steht der Teufel. Genauer gesagt: Mephisto aus Goethes Faust, gespielt von einem Bremer Schauspieler. Die Besucher drängen sich dicht an dicht, in rot-schwarzer Abendgarderobe – um diese hatte das Überseemuseum zur Eröffnung der neuen Sonderausstellung "All about Evil" förmlich gebeten. Auf den kleinen Tischen im Foyer sitzen Plastikspinnen, Fledermäuse und Teufelchen aus Weingummi sind ausgelegt. Die Hölle hat im Museum Quartier aufgeschlagen, es ist ein großes Ereignis.

Die Hölle ist ein Ort in Rot und Schwarz

Doch wie gelangt man eigentlich hinein in die Folterwerkstatt der Sünder? Durch den Schlund einer riesigen Fledermaus, die fordernd ihre gespaltene Zunge ausstreckt. Rot leuchtend sticht sie aus dem weißen Vorraum der Sonderausstellung heraus. Bevor sich der Besucher in die vermeintliche Hölle hineinwagt, wird er jedoch noch einmal eindringlich aufgefordert, mit dem Blick in den Spiegel in sich zu gehen: War ich gut oder böse? Eine entscheidende Frage für all jene, die sich anschicken, dem Wächter der Unterwelt entgegenzutreten. Von Ferne ertönt leise das Geheul eines Wolfes.

Fasnachtsmasken | Diese Fasnachtsmasken aus Süddeutschland und Österreich zeigen Teufel und Dämonenfratzen.
Im Inneren der Hölle dominieren Schwarz und Rot die Räume, Flammen züngeln von einzelnen Wänden hervor. In den Schaukästen hat sich das Personal der Unterwelt versammelt. Die Figur eines chinesischen Höllenfürsten blickt da hämisch lachend hervor, direkt neben zwei taoistischen Wächtern der Unterwelt aus Nordvietnam. Aber nicht nur in Asien, auch in Deutschland und Österreich gibt es Teufel und Dämonen zuhauf: Sie grinsen in Form von Fastnachtsmasken bösartig auf die Besucher nieder.

Welches Gesicht hat das Böse?

Über 500 Exponate aus allen Kontinenten haben die Kuratoren des Völkerkundemuseums zusammengetragen, um einen Einblick in unseren Umgang mit dem Bösen zu geben. Die Ausstellung unterteilt sich dabei in drei Bereiche: Woher kommt das Böse? Welches Gesicht hat es? Und wie gehen wir damit um? Die Zeitspanne der Antworten reicht vom frühen Altägypten bis in unsere Zeit.

Zaubermittel aus Togo | Der Bremer Missionar Carl Spieß sammelte und beschrieb bei seinem Aufenthalt in Togo um 1900 unter anderem diese Zaubermittel der Einwohner, mit denen sie sich gegen das Böse wappnen wollten. Die Photographie dieser Schnüre stammt aus dem frühen 20. Jahrhundert.
Das Konzept von "All about Evil" hat sich bereits bewährt: Es ist die Weiterentwicklung einer ähnlichen Schau, die 2004 im Tropenmuseum Amsterdam gezeigt wurde. "Uns war wichtig, dass die Menschen sich mit dem Bösen auseinander setzen", erklärt Kuratorin Silke Seybold die Intention. Gleichzeitig sollte die Ausstellung aber nicht zu schwer werden, betont sie: "Wir wollten die Besucher generationenübergreifend ansprechen".

Und so muss man doch sehr genau hinsehen, wenn man das wirklich Bösartige in der Schau entdecken möchte. Kriege, Folter oder Aggression und Gewalt werden kaum thematisiert – ein paar politische Plakate zeugen von dem Wunsch, die eigenen Feinde zu dämonisieren, Musikvideos und Horrorfilmsequenzen zeigen die Tendenz der aktuellen Popkultur, mit dem Bösen zu flirten. Ansonsten: Hexen, Dämonen und das Böse als metaphysische Kategorie der Weltreligionen.

Von teuflischen Hummeln und Hexenfurz

Tiergehege im Überseemuseum | Tiere galten lange Zeit als Boten oder gar als Erscheinungsformen des Teufels. Selbst so harmlose Tiere wie Eichhörnchen und Hase waren im Mittelalter suspekt – erstere aufgrund ihres roten Felles, das allzu sehr an die Farbe des Teufels erinnerte, letztere wegen ihrer gemeinschaftlichen Treffen zur Abenddämmerung, die als Hexenversammlungen gedeutet wurden.
Doch auch die metaphysischen Erscheinungen des Bösen beschränken sich nicht allein auf die Unterwelt. Ob Bär, Ratte oder Ziege – je nach Epoche galt so manches Tier als Erscheinung des Teufels und seiner Gehilfen. Zum Schutz der Besucher sind die Bestien darum auch hinter Gittern. Selbst Hase und Eichhörnchen finden übrigens in deren Reihen Platz: Letztere galten wegen ihres roten Felles im Mittelalter als die Boten des Teufels. Größere Versammlungen von Meister Lampe und seinen Freunden waren lange als Hexentreffen verschrien.

Manch anderem Wesen wurde das Teuflische gar gleich im Namen mitgegeben: So trägt eine nordeuropäische Hummelart die wenig schmeichelhafte Bezeichnung Bombus polaris diabolicus, ein winziger Kolibri aus den USA heißt wegen seiner leuchtenden Halsfedern gar Calothorax lucifer. Auch sie sind bei "All about Evil" in Sicherheitsverwahrung.

Hexenküche | Auch im Pflanzenreich findet sich reichlich Teuflisches: Ob Gewächse mit diabolischem Namen oder mit tödlicher Wirkung – die Hexenküche im Bremer Überseemuseum hat die höllischen Pflanzen versammelt.
Wenig anheimelnde Namen trägt auch so manches Gewächs, dass man in der Hexenküche der Ausstellung bewundern kann. So gilt der Hasenbovist, der bei Berührung ein braunes Pulver versprüht, im Volksmund als "Hexenfurz". Und in Afrika nutzt man die psychoaktive Wurzel des Teufelsfußes. Ein großer Apothekerschrank birgt weitere Pflanzen mit zweifelhaftem Ruf und lädt mit seinen zahlreichen Schubladen zur weiteren Erkundung ein – inklusive einer Schnüffelprobe vom Teufelsdreck, dem eingedickten Milchsaft des Stinkasant – ein Kraut, das aber nur Hartgesottenen empfohlen sei.

Gegen Ende der Ausstellung begegnet man schließlich dem Bösen im Kinderzimmer und auf dem Familientisch: Musikindustrie, Jugendkultur und Lebensmittelhersteller sind längst einen teilweise makabren Flirt mit dem Bösen eingegangen – inklusive Teufelsbier, höllischem Käse und anderen Schmackhaftigkeiten aus dem gemeinen Supermarktregal. Der Teufel als Pop-Ikone.

Angst vor der Auseinandersetzung

Mexikanisches Teufelspaar | Der Teufel als Reiter auf einem Pferd. Der Beelzebub kam mit den Spaniern nach Mexiko, heute ist er ein beliebtes Motiv beim alljährlichen Tag der Toten an Allerheiligen und Allerseelen, wo dem Volksglauben nach die Toten ein paar Tage mit dem Lebenden verbringen. Die Pappmaché-Figur stammt aus dem Jahr 1985.
Über diese Assoziation kommt die Ausstellung jedoch leider kaum hinaus. Kein Hinweis auf die Frage, wie das Böse im realen Leben in die Welt kommt, keine Auseinandersetzung mit den Facetten menschlicher Bösartigkeit findet sich zwischen all den Masken, Puppen und Filmmitschnitten. Auch im umfangreichen Begleitprogramm zur Ausstellung werden die wirklich erschreckenden Aspekte des Bösen, werden Krieg, Satanismus oder Hexenverfolgung nicht thematisiert. Kuratorin Seybold wünscht sich zwar eine Auseinandersetzung, sie selbst hat sie aber offenkundig gescheut.

Das ist schade. Eine kritische Reflexion des Themas zumindest im Begleitprogramm hätte der amüsanten Annäherung bei "All about Evil" durchaus gut getan. So ist der Rundgang informativ und witzig, aber leider nicht erhellend.

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