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Hydrothermalgeologie: Old Faithful lahmt

Droht ein unerwartetes Opfer durch die Erderwärmung? Den Geysiren genannten heißen Quellen im Yellowstone-Nationalpark scheint bald zeitweise das Wasser auszugehen. Geologen beobachten jetzt schon Verzögerungen in der Fontänenwiederkehr.
Old Faithful
Er trägt seinen Titel zurecht: Old Faithful, der alte Getreue, der in regelmäßigen Abständen Wasser aus seinem Blasloch im oberen Geysir-Becken des Yellowstone-Nationalparks drückt. Bis zu 55 Meter hoch kann das heiße Nass spritzen, wenn am Ende des natürlichen Zykluses von Wassereinlauf, Aufheizung und Eruption maximal 32 000 Liter Wasser im wahrsten Sinne Dampf ablassen. Kaum ein anderer Geysir im Nationalpark bricht regelmäßiger und eindrucksvoller aus als Old Faithful, was ihn zu einer der beliebtesten Touristenattraktionen der USA macht.

Geysir "Steamboat" | Der Geysir Steamboat gehört zu den bekanntesten und eindrucksvollsten heißen Quellen des Yellowstones: Bis zu 100 Meter hoch kann er eine Wassersäule ausstoßen, anschließend faucht er noch einen ganzen Tag lang Dampf in die Luft.
Die Uhr kann man nach dem Wasserspeier jedoch allen Gerüchten zum Trotz nicht stellen: Zwischen einer halben und zwei Stunden können von einem Ausbruch zum nächsten vergehen – der Schnitt liegt bei 91 Minuten. Verglichen mit 1870, als die regelmäßige Zeitnahme am Old Faithful begann, müssen seine Bewunderer heute allerdings schon 30 Minuten länger warten, bis er sich in voller Pracht zeigt. Immerhin lässt sich über eine Formel des US-Geologen George D. Marler mit Parametern wie dem letzten Intervall, der letzten Ausbruchsdauer und -zeit berechnen, wann der nächste Zeitpunkt ungefähr kommt, damit ihn die wallfahrenden Heerscharen auch ja nicht verpassen.

Prinzipiell funktionieren Geysire im Yellowstone und andernorts ganz einfach: Oberflächenwasser dringt in das Gestein ein, und Magma aus dem Erdinneren, das sich in einer heißen Blase in 5 bis 10 Kilometern Tiefe sammelt, erwärmt es. Ist der Siedepunkt erreicht, kocht der Topf praktisch über, und das Wasser schießt durch den Überdruck aus einem engen Blasloch an die Oberfläche. Dort kühlt es ab, sammelt sich und versickert wieder in der Erde – der Zyklus beginnt erneut.

Castle-Geysir | Der Castle-Geysir im oberen Geysir-Becken ist ein typisches Beispiel für kegelförmige heiße Quellen, deren Öffnung sich auch abgelagertem Sinter aufbaut.
Wie Shaul Hurwitz vom US Geological Survey im kalifornischen Menlo Park und seine Kollegen nun neuerlich belegen, ist dieser Zyklus aber keinesfalls ein geschlossener. Vielmehr hängt er von einer Vielzahl weiterer Faktoren ab, die ihn extern regeln. Der Einflussnahme verdächtigt wurden beispielsweise lange der Luftdruck oder die Gezeiten der festen Erde – das subtile Aufwölben und Zusammenfallen unseres Planeten unter dem Einfluss von Sonne und Mond. Erst in den letzten Jahren ermöglichten gewitzte Technologien, die Geheimnisse der Geysire etwas zu lüften.

Klima oder Geologie?

Robuste Wassertemperatursensoren etwa, die in 25 heißen Quellen des Yellowstone versenkt wurden, erlaubten den Geologen eine ununterbrochene 24-stündige Überwachung aller Tage, was zuvor freiwillige Helfer oder Park-Ranger nächtens oder im Winter nicht zu leisten vermochten: Akkurat hielten die Geräte fest, wann eine Eruption nahte und wie lang sie dauerte. Der Abgleich ihrer Daten mit anderweitig gewonnenen Ergebnissen widerlegte denn auch, dass die Erdtiden die Ausbrüche in irgendeiner Form beeinflussen. Der Luftdruck wiederum spielt eine Rolle, allerdings eine sehr untergeordnete.

Das Hauptkriterium hingegen, wann und wie lange sich Old Faithful oder seine Kollegen mit den majestätischen Titeln Daisy, Castle oder Aurum ausschütten, bestimmt – das vorhandene Wasser. Immer nach schneereichen Wintern oder regnerischen Sommern geben die Geysire Gas: Sie pressen in kürzeren Abständen mehr Flüssigkeit aus ihrem Inneren nach außen. So waren sie nach der Schneeschmelze, die nach den Daten die ergiebigste Quelle ausmacht, besonders aktiv und ließen im Laufe der von ausgeprägten Schönwetterphasen dominierten Sommer kontinuierlich nach.

Geysir "Echinus" | Wie oft und wie lange Geysire Wasser spucken, hängt von verschiedenen Faktoren ab – unter anderem von den Witterungsbedingungen oder Erdbebentätigkeit.
Deutlicher noch als der schwankende Jahresverlauf machte sich in den Auswertungen von Hurwitz' Team allerdings ein längerfristiger Einfluss bemerkbar: Seit 1997 häuften sich Dürreperioden im Bereich des Yellowstones, was Old Faithful und Konsorten verlangsamte und weniger ergiebiger machte. In den letzten zehn Jahren verspätete sich deshalb die Wiederkehrzeit des alten Getreuen um 15 Minuten auf nun eineinhalb Stunden. Und Daisy benötigt nun sogar über eine Stunde länger, um nachzuladen. Klimaprojektionen prophezeien der Region auch zukünftig weniger Regen und verschärfte Trockenzeiten, was die Forscher um die Parkattraktionen zumindest zeitweise fürchten lässt: "Unter extremen Bedingungen könnten die Geysire zeitweilig auch ganz versiegen", lässt Hurwitz Tourismus- und Parkmanager um ihr lukratives Schauspiel zittern, konzentriert sich doch die Hälfte der weltweit bekannten 1000 Geysire in ihrem Reich.

Ob es tatsächlich so weit kommen kann, muss allerdings noch geklärt werden. In der Atacama sprudelt seit Langem das El-Tatio-Geysir-Feld unbeeindruckt inmitten einer der trockensten Wüsten der Welt. Größere Gefahr droht vielmehr von anderer Seite – der Yellowstone umfasst die Caldera eines momentan inaktiven Supervulkans und ist entsprechend stets erdbebengefährdet. Wackelt die Erde, schließen sich Klüfte und gehen andernorts neu auf, Geysire versiegen oder blasen erstmalig – selbst wenn das Epizentrum weit weg liegt, erklärt Shaul Hurwitz: "Das Denali-Beben in Alaska im Jahr 2002 ließ auch im Yellowstone noch die Erde leicht zittern. Bald darauf spuckten Daisy und andere Quellen in rascherer Folge Wasser. Es dauerte drei bis vier Monate, bis sie sich wieder normalisiert hatten." Und auch Old Faithful musste sich diesem Diktat bereits unterwerfen: Vor allem die drei Beben von 1959, 1975 und 1983 bremsten ihn aus.

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