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Mythos ewiges Leben

Der Untertitel des Buchs führt in die Irre, suggeriert er doch, dass jeder selbst seine Lebenserwartung frei bestimmen könne. Und als wolle der Autor, Professor für Genetik an der Universität Wien, diesen Eindruck bekräftigen und Hoffnung auf ein ewiges Leben wecken, lässt er sich auf dem Cover abbilden, wie er einen Uhrzeiger manipuliert.

Bis zu 115 Jahre alt kann ein Mensch Schätzungen zufolge werden, wobei als Ausnahme von der Regel eine Französin gilt, die noch sieben Jahre länger lebte. Aber gibt es tatsächlich eine maximale Lebensspanne, die niemals überschritten werden kann? Nein, glauben viele Biologen, die das Altern erforschen. Diese so genannten Immortalisten (vom englischen Wort für "unsterblich") gehen davon aus, dass der Mensch potenziell unendlich alt werden kann, wenn zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs heilbar wären. Allerdings gebe es noch immer die Gefahr eines nicht natürlichen Todes, etwa infolge eines Unfalls.

Es sind die Forschungserfolge der Genetik, welche trotzdem auf ein ewiges Leben hoffen lassen. Zum Beispiel kann man heute Blutzellen mit Hilfe einer Virusinfektion dazu veranlassen, sich unendlich oft zu teilen, während sich eine normale Zelle nur ungefähr 50-mal teilt. Stammzellen vermögen nicht nur dies, sondern können sich unter anderem in Herz-, Nerven- oder Blutzellen verwandeln. Die Lebensdauer von Würmern und Mäusen kann durch Genmanipulation deutlich verlängert werden, und auch beim Menschen sind Gene bekannt, die ein langes Leben versprechen.

Diese Erfolge erkennt Markus Hengstschläger an, relativiert sie aber, indem er etwa zu bedenken gibt, dass das Klonschaf Dolly schneller alterte als seine Artgenossen. Überhaupt sei das ewige Leben weder ein realistisches noch ein lohnendes Ziel. Wie würden sich beispielsweise zwischenmenschliche Beziehungen verändern, wenn sie unendlich andauerten?

Für realistisch hält der Autor immerhin, dass die durchschnittliche Lebenserwartung um weitere sieben Jahre verlängert werden kann. Sie sei nur zu ungefähr 25 Prozent genetisch bedingt – die übrigen 75 Prozent könnten wir selbst beeinflussen, etwa durch mäßigen Rotweinkonsum sowie moderate körperliche Aktivität. Moderat deshalb, weil ein Übermaß den Stoffwechsel allzu sehr ankurbelt und dadurch freie Radikale entstehen, die das Zellsterben fördern. Außerdem empfiehlt er, die Bettzeiten nach dem individuellen Schlaf-wach-Rhythmus zu richten.

Hengstschläger, Entdecker von Stammzellen im Fruchtwasser, zeigt Begeisterung für seine Disziplin und ihre Erkenntnisse, verliert dabei aber nie aus den Augen, dass auch in der Genetik der Zweck nicht alle Mittel heiligt und nicht alles, was sein kann, auch sein darf.

Schwierige genetische Sachverhalte beschreibt er locker, verständlich und humorvoll. Den Leser spricht er immer wieder direkt an und setzt sich mit möglichen Einwänden auseinander. Auf die meisten seiner Anmerkungen zum Thema Glück im Alter hätte er allerdings gut verzichten können – da liest man besser eines der zahlreichen Bücher, die sich ausschließlich diesem Thema widmen.

Fazit: ein Buch, das Interesse weckt und Laien nicht überfordert – und noch dazu die Hoffnung schenkt, dass der Mensch seine Lebensdauer zumindest mitbestimmen kann. Oder, wie der Autor sagt: "Gene sind Bleistift und Papier, aber die Geschichte schreiben wir selbst."

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  • Quellen
Gehirn und Geist 03/2009

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