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Bei Liebe Mord

Seit sechs Jahren führte die Firmendirektorin eine außereheliche Beziehung, doch zunehmend erschien ihr das selbst zermürbend und perspektivlos. Als der Geliebte auf ihre Gesprächsversuche nicht einging, rastete sie nach eigenen Worten aus: Sie tötete ihn im Bett mit 19 Messerstichen. Als sie im Gefängnis den Scheidungsantrag ihres Mannes erhielt, nahm sie sich das Leben.

Verliebt zu sein ist eines der wundervollsten Gefühle des Lebens. Wie ist es also möglich, dass von zwei Liebenden der eine zum Verbrecher und der andere zum Opfer wird? Was treibt einen Menschen dazu, seinen Partner oder Expartner mit einem Messer zu traktieren, bis dieser vor seinen Augen verblutet?

Eine grundlegende Antwort gaben 2007 schon Hans Markowitsch und Werner Siefer in ihrem Buch "Tatort Gehirn " (siehe G&G 12/2007, S. 78): Letztlich steckt in jedem von uns ein Verbrecher. Hirnschäden etwa können selbst aus einem moralisch gefestigten, gesetzestreuen Bürger einen Serienmörder machen, der bei seinen Taten nicht einmal Schuld empfindet.

Das gilt ebenso für den so genannten Intimizid. Wie es im Detail dazu kommt, dass ein Mensch den geliebten Partner ums Leben bringt, beschreibt nun Andreas Marneros, Professor für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in Halle. Seit Jahrzehnten widmet er sich dieser Frage im Rahmen von Gerichtsgutachten. Seine zentrale These: Beim Intimizid bilden Täter und Opfer ein System, das sich gegenseitig aufschaukelt und schließlich außer Kontrolle gerät, bis es bei einer Person zu einer explosiven Reaktion kommt.

Dem finalen Akt liegen Störungen der Impulskontrolle und Dysfunktionen der Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin im Gehirn zu Grunde. Die betroffenen Personen sind leicht reizbar und neigen zu aggressiven Reaktionen, insbesondere, wenn zusätzlich der Testosteronspiegel steigt oder Frauen an einem prämenstruellen Syndrom leiden.

Dass Liebe und Hass nahe beieinanderliegen, hat kürzlich eine erst nach Erscheinen des Buchs veröffentlichte Studie auch neurobiologisch nachgewiesen. Demnach sind bei beiden Gefühlen die gleichen Hirnstrukturen vermehrt aktiv.

Marneros beschreibt verschiedene Formen von Täter-Opfer-Systemen: den Mord in Folge einer narzisstischen Kränkung, aus Verzweiflung angesichts eines "Lebensbankrotts", zum Selbstschutz oder als Akt der Emanzipation. Im Rahmen einer Psychose können sogar halluzinierte Stimmen zum Töten auffordern. Bei einseitig erwünschten Beziehungen sind Morde oft sexuell motiviert, manchmal im Rahmen von Perversionen, wie schon einige Male im Film dargestellt.

Anhand vieler Fallbeispiele analysiert der Psychiater akribisch die Persönlichkeiten der Täter, aber auch die der Opfer. Das Buch macht die Ursachen eines Mords begreifbar. So manche grausame Tat lässt sich nach der Lektüre besser nachvollziehen.

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  • Quellen
Gehirn und Geist 05/2009

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