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Eulbergs tönende Tierwelt: Exotische Regenkatze mit Hang zur Akrobatik

Der knallig gelbe Pirol (Oriolus oriolus) hängt mit Vorliebe hoch oben in den Baumkronen ab. Auch gern mal kopfüber. Wer die »Regenkatze« dort entdecken will, muss ihrem zauberhaften Gesang folgen, weiß unser Kolumnist.
Buntstift-Zeichnung des Pirols, Ausschnitt des Kopfbereichs
Die männlichen Pirole fallen durch ihr knallgelbes Gefieder auf. Besonders sind auch ihre rubinroten Augen. Trotzdem sind sie nur schwer zu entdecken, denn sie sind Meister des Versteckspiels.
Wissen Sie, wie ein Siebenschläfer klingt? Oder ein Reh? Warum der Pirol auch Regenkatze genannt wird? Vermutlich nicht – obwohl all diese Lebewesen Teil unserer heimischen Fauna sind. In der Kolumne »Eulbergs tönende Tierwelt« stellt der Techno-Künstler, Ökologe und Naturschützer Dominik Eulberg faszinierende Exemplare aus der Tierwelt vor unserer Haustür vor.

Ich erinnere mich noch sehr genau an meine erste Begegnung mit dem farbenprächtigen Pirol (Oriolus oriolus). Bei uns im Westerwald brütet er leider nicht, aber ich wusste, dass er in den Auwäldern bei der Siegmündung in den Rhein Reviere besetzt. Ganz aufgeregt streifte ich also suchend durch das Gebiet. Und tatsächlich vernahm ich plötzlich den zauberhaften Gesang eines Männchens – hoch oben in einer alten Pappel. Doch trotz seines vermeintlich auffälligen Federkleids bekam ich ihn dort im Kronenbereich einfach nicht zu Gesicht. Irgendwann erbarmte sich das Schicksal, und ein knallgelber Federball flog wellenförmig über mich hinweg in eine benachbarte Baumkrone. Zufrieden und mit einem breiten Lächeln auf den Lippen ging ich wieder nach Hause.

Ihre charakteristische leuchtend gelbe Farbe mit der schwarzen Flügelbinde besitzen männliche Pirole ab dem zweiten Lebensjahr. Die Weibchen sind grünlich gefärbt, ältere Weibchen tragen mitunter jedoch auch mehr Gelb im Gefieder (siehe »Beobachtungstipps«). Im dichten Blattwerk der Bäume sind das überraschend gute Tarnfarben. Die Augen des Vogels sind prachtvoll rubinrot.

Fällt leichter Regen, duschen Pirole gerne dort oben in den Bäumen! Und das sehr einfallsreich: Sie lassen sich dazu kopfüber mit geöffneten Flügeln von einem Ast hängen und verharren in dieser »Fledermausstellung« für mehrere Minuten, um sich beregnen zu lassen. Ein Foto davon konnte ich übrigens bisher noch nicht machen. Wenn jemand die fledermausartige Haltung abgelichtet hat, würde ich mich über eine Zusendung sehr freuen.

Der Pirol | Auf Grund seiner Farbenpracht scheint er so gar nicht in die hiesige Fauna zu passen. Und tatsächlich verbringt der Vogel die meiste Zeit des Jahres in den Tropen.

Häufig sind die bunten Vögel noch bei Niederschlag oder selbst kurz vor einem Sommergewitter stimmfreudig – für Singvögel recht ungewöhnlich. Deshalb und weil der Pirol zudem ein katzenartiges Fauchen als Erregungsruf ausstößt, nennt man ihn volkstümlich auch »Regenkatze«. Einst glaubte man sogar, er könne Regen ankündigen.

Der Pirol ist ein begnadeter Akrobat. Das zeigt sich unter anderem an seinem eindrucksvollen Nest: Artistisch webt der Vogel in Astgabeln hoch oben im äußeren Kronenbereich von Pappeln, Eschen oder Eichen vertrocknete Grashalme, Rindenfasern und dünne Zweige zu einem imposanten Napfnest. Diese Meisterwerke vollbringen allerdings allein die Weibchen. Die Männchen schauen nur zu und alarmieren das Weibchen mit Warnrufen, wenn Gefahr droht. Neben vornehmlich Insekten und deren Larven verspeisen Pirole auch Früchte und Beeren, mit Vorliebe Kirschen. Deshalb trägt er auch den Namen »Kirschvogel«.

  • Der Pirol

    Hier finden Sie alle wichtigen Eckdaten und Beobachtungstipps rund um den bemerkenswerten Pirol.

  • Steckbrief
    Größe: 22 bis 25 Zentimeter

    Gewicht: 42 bis 94 Gramm

    Fortpflanzungsperioden pro Jahr: 1

    Nachkommen pro Periode: 2 bis 5

    Höchstalter: 8 Jahre

    Bundesweiter Gefährdungsgrad (Rote Liste): Vorwarnliste (d. h. merklich zurückgegangen, aber aktuell noch nicht gefährdet)

    Volkstümlicher Name: Goldamsel, Pfingstvogel, Regenkatze, Vogel Bülow

  • Beobachtungstipps
    Den Pirol kann man hier zu Lande zwischen Mai und August im Kronenbereich von Bruch- und Auwäldern entdecken. Sein gelbes Gefieder tarnt den Vogel gut; besser als mit dem Auge erkennt man den Pirol daher an seinem charakteristischen Gesang.
    Brutzeit | Ein Pirolweibchen füttern seine Jungen im kunstvoll gewebten Napfnest.

Die wundersamen Gesänge des Pirols wirkten damals in den Siegauen so ungewohnt exotisch auf mich. Und tatsächlich verbringt »unser« Pirol die längste Zeit des Jahres, wie die meisten 38 anderen weltweit existierenden Arten aus der Familie der Pirole, in tropischen Gefilden. Er überwintert im südlichen und zentralen Afrika. Erst im Mai kommt er als einer der letzten Zugvögel zu uns, um ein einziges Mal zu brüten. Deshalb nennt man ihn auch »Pfingstvogel«. Schon ab Ende Juli verlassen die ersten Individuen unsere Breiten wieder.

Da der goldgelbe Vogel in etwa so groß ist wie eine Amsel, nannte man den Pirol früher irrtümlich »Goldamsel«. In Wirklichkeit zählt er aber zur Teilordnung Corvides, zu denen etwa auch die Paradiesvögel gehören. Sein flötender Gesang, in dem sich die Weibchen ebenfalls ergehen, bescherte ihm seinen lautmalerischen wissenschaftlichen Namen Oriolus oriolus. Ebenfalls lautmalerisch abgeleitet ist seine weitere volkstümliche Bezeichnung »Vogel Bülow«. Der geniale Humorist Vicco von Bülow nahm als Künstlernamen übrigens den französischen Namen des Vogels an, der das Wappentier seiner Familie darstellt: Loriot.

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