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Storks Spezialfutter: Wasser stopp!

Wasser ist jener Bereich, in dem uns der Klimawandel jetzt schon eine Einschränkung aufnötigt. Eine gute Übung, findet unser Umweltkolumnist Ralf Stork, denn es wird nicht dabei bleiben.
Ein Sprenger auf einem trockenen Rasen
Wasserknappheit zwingt immer mehr Menschen, auf saftiges Grün in ihrem Garten zu verzichten. Das gibt uns auch in Mitteleuropa eine Ahnung von den bevorstehenden Verteilungskämpfen.
Der Welt steht ein Umbruch bevor – ob die Menschheit will oder nicht: Landwirtschaft, Verkehr und Energiegewinnung müssen nachhaltig und fit für den Klimawandel werden, gleichzeitig gilt es, eine wachsende Weltbevölkerung mit wachsenden Ansprüchen zu versorgen. Was bedeutet das für uns und unsere Gesellschaft? Und was für die Umwelt und die Lebewesen darin?
In »Storks Spezialfutter« geht der Umweltjournalist Ralf Stork diesen Fragen einmal im Monat auf den Grund.

Ein Blick aus dem Fenster: Es regnet. Genau wie die Tage zuvor. Ich persönlich mag den goldenen Herbst ja lieber. Anfang Oktober war es in Berlin noch so warm, dass ich im T-Shirt auf dem Balkon in die tief stehende Sonne blinzeln konnte. Jetzt also das typische kühle, nasse, dunkle – ganz normale Herbstwetter.

Aber was ist dieser Tage beim Wetter/Klima schon typisch oder normal? Auch wenn es jetzt mal kühl und regnerisch ist: Der Sommer 2023 war weltweit mit Abstand der heißeste seit Beginn der Aufzeichnungen, und es müsste schon einiges passieren, damit dieses Jahr nicht als heißestes in die Geschichte eingeht. Die acht vorherigen Rekordhalter sind nach Daten des Europäischen Klimawandeldienstes Copernicus übrigens: 2015, 2016, 2017, 2018, 2019, 2020, 2021, 2022.

Tun Sie jetzt bitte nicht überrascht: Das mit der Klimaerwärmung ist ein alter Hut. Wissen wir schon lange. Es hält uns offenbar nicht davon ab, uns so zu verhalten, als wüssten wir von nichts.

Seit ein paar Jahren ist bei uns ein weiteres Klimaphänomen zu beobachten: Es wird immer trockener. Man denke nur an die hunderttausende Bäume, die einer Koproduktion von Trockenheit und Borkenkäfern zum Opfer gefallen sind.

Die Jahre 2018, 2019 und 2020 summieren sich in Deutschland zu der heftigsten Dürre seit 250 Jahren. Und auch wenn 2023 insgesamt zu den etwas nasseren Jahren zählt, ändert das an der Grundkonstellation nichts. In weiten Landesteilen herrscht selbst Ende Oktober noch Dürre.

Wie es aussieht, könnte das knapper werdende Wasser der erste von all jenen Bereichen sein, in denen uns der Klimawandel zu konkreten Verhaltensänderungen zwingt. Und zwar nicht nur moralisch, sondern ganz praktisch: Klimaschädliche Gase kann man weiter in beliebigem Umfang in die Luft blasen, das ist zwar extrem dumm und kurzsichtig, aber möglich. Wenn allerdings die Ressource Wasser so knapp wird, dass es nicht mehr für alle reicht, dann muss es zwangsläufig zu Einschränkungen kommen.

Verteilungskonflikte marsch!

Die Anfänge drohender Verteilungskonflikte sind an einigen Orten bereits zu erkennen: In der Gemeinde Panketal nahe Berlin zum Beispiel gilt seit 2022 eine Verordnung, die den privaten Wasserverbrauch einschränkt. Von April bis September ist von 17 bis 21 Uhr das Befüllen von Pools und das Bewässern und Beregnen von Grünflächen verboten. Die zeitliche Einschränkung soll verhindern, dass die Kapazitätsgrenze des Wasserwerks überschritten wird, weil alle zur gleichen Zeit das knappe Wasser nutzen wollen.

Die Gemeinde hat eine Wasserampel eingeführt, mit Handlungsempfehlungen für die Bürger: bei Grün keine Einschränkungen. Bei Gelb soll das Gießen nur noch mit der Gießkanne erfolgen, bei Rot soll auch die Trinkwasserentnahme im Haus zwischen 18 und 21 Uhr unterbleiben. Im Garten soll dann gar nicht mehr gegossen werden. Auch der Preis für den Kubikmeter Wasser wurde erhöht. Er liegt jetzt bei 2,95 Euro je Kubikmeter (1000 Liter). Im nahe gelegenen Berlin muss man nur 1,813 Euro zahlen.

Im hessischen Städtchen Königstein im Taunus, einer Art Nobelvorort von Frankfurt, wurden in diesem Sommer noch drastischere Maßnahmen ergriffen. Feuerwehrwagen fuhren durch die Straßen und drohten per Lautsprecher mit dem Verhängen des Wassernotstands: »Achtung, Achtung, der Wassernotstand steht unmittelbar bevor.« In diesem Fall hätte kein Garten und kein Gemüsebeet mehr gewässert werden dürfen. Die Rasenplätze der Gemeinde würden ihrem Schicksal überlassen, das Befüllen von Swimmingpools wäre dauerhaft verboten.

Zuvor war bereits die Trinkwasserknappheit ausgerufen worden, weil der Wasserverbrauch in der Gemeinde in der Dürrezeit deutlich über dem Durchschnitt lag. Damit einher gehen bereits konkrete Verbote: Rasenflächen, die größer als 200 Quadratmeter sind, dürfen nicht mehr gewässert werden. Verursacht wurde der hohe Verbrauch »durch die unverhältnismäßige Verwendung von Trinkwasser zur Bewässerung in den Gärten für große Rasenflächen oder durch stetige Befüllung von Pools«, heißt es in einer Mitteilung der Gemeinde.

Soziale Sprengkraft bei der Poolparty

Wenn es heiß ist und trocken, brauchen Pflanzen besonders viel Wasser und eine Abkühlung im eigenen Pool tut besonders gut. Gerade weil es keine Niederschläge gibt, ist der Wasserbedarf groß. An die Folgen wird dabei eher weniger gedacht. Für ein Einfamilienhaus in Königstein wurde an einem Tag im Sommer ein Verbrauch von 80 000 Litern ermittelt, weil die überdimensionierte Rasenfläche intensiv gewässert wurde. Ein Teufelskreis.

Und ein Luxusproblem: Hunderte Millionen Menschen weltweit haben überhaupt keinen Zugang zu Trinkwasser. Die einzige Zumutung in Deutschland ist bislang, dass mancherorts der Zierrasen nicht immer ganz so saftig grün und der Pool nicht zu jeder Tageszeit befüllt werden darf. Im Thema Wasser steckt eine Menge sozialer Sprengkraft: Wer einen großen Garten und Pool hat, will beides ohne Einschränkungen nutzen. Wer in einer kleinen Mietwohnung wohnt, wird nicht akzeptieren, dass das Duschwasser knapp wird, weil die Leute in den Villengegenden Poolpartys feiern.

Das Problem wäre relativ leicht in den Griff zu bekommen. In Gärten könnte die Fläche des durstigen Rasens zu Gunsten von trockenheitstoleranteren Pflanzen verringert werden. Man könnte den Trinkwasserpreis deutlich erhöhen – stufenweise: Die ersten paar Kubikmeter pro Person blieben günstig, danach würde es richtig teuer. Poolbesitzer müssten dann für ihren Luxus deutlich mehr bezahlen. Und braucht wirklich jedes Einfamilien- und Ferienhaus seinen eigenen Pool?

Es wird Einschränkungen geben müssen. Erst wenn wir das als Notwendigkeit akzeptieren, nehmen wir den Kampf gegen den Klimawandel wirklich auf. Bis sich diese Erkenntnis allgemein durchsetzt, ist es vermutlich noch ein weiter Weg. Man stelle sich nur mal den öffentlichen Aufschrei (der Poolbesitzer) vor, wenn in Gartenkolonien und Einfamilienhaussiedlungen ein Schwimmbecken für die Gemeinschaft erlaubt, alle anderen aber verboten wären. Klingt radikal, wäre jedoch bei einer weiteren Verschärfung der Wasserknappheit nur ein logischer, nachhaltiger Schritt.

Trotzige Besitzstandswahrung bringt uns da nicht weiter. Positiver Pragmatismus schon eher: Wenn es plötzlich bis in den Oktober sommerlich bleibt, stellen wir uns darauf ein und verlängern die Draußensaison entsprechend. Wenn das Wasser plötzlich knapp wird, verabschieden wir uns eben vom Rasen und unseren Vorstellungen, wie ein ordentlicher Garten auszusehen hat, und lassen eine Blumenwiese wachsen.

Und wenn es im Herbst mal regnet und regnet und regnet, machen wir es uns drinnen gemütlich und freuen uns darüber, dass sich die Grundwasserreservoirs wieder ein bisschen füllen können.

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