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Freistetters Formelwelt: Fehler sind menschlich – aber auch Computer machen welche

Wenn Sie diesen Text hier lesen können und keinen »404-Fehler« in Ihrem Browser sehen, haben Sie Glück gehabt – und das Vergnügen, gleich mehr über die Fehlerfunktion zu lernen.
Universum mit Fehlermeldung
Wenn man diese Fehleranzeige sieht, ärgert man sich meist. In der Mathematik spielen Fehlerfunktionen jedoch eine wichtige Rolle.

Die Kolumnen von »Freistetters Formelwelt« sind zwar nicht nummeriert, ich selbst führe aber natürlich eine Liste mit entsprechender Zählung. Deswegen weiß ich, dass dieser Text hier der 404-te in der Reihe ist. Die Zahl 404 ist aus mathematischer Sicht nicht sonderlich auffällig, doch in unserem Alltag stoßen wir durchaus öfter darauf – und wenn das passiert, ärgern wir uns meistens.

Kommunizieren Computer über das Internet miteinander, dann zeigt die Fehlermeldung »HTTP 404« an, dass man mit dem Browser zwar eine Verbindung zu einem Server aufbauen konnte, die gewünschte Information dort aber nicht gefunden wurde. Deswegen erscheint nur die frustrierende Meldung »404 not found«. Es gibt noch jede Menge andere Fehlercodes, die trifft man im Alltag allerdings weniger oft an.

Das Fehlermanagementsystem des Hypertext Transfer Protocol (HTTP) ist wichtig, aber nicht so ergiebig, was Formeln angeht. Zum Glück muss man in der Mathematik nicht lange nach einem passenden Thema suchen. Das hier ist die Fehlerfunktion:

Die Funktion wird üblicherweise als »erf« für »error function« abgekürzt. Die Fehler, um die es in dieser Funktion geht, sind keine Irrtümer oder Missgeschicke beim Rechnen – es hat vielmehr mit Wahrscheinlichkeitsverteilungen zu tun. Nehmen wir zum Beispiel eine Reihe von Messwerten, die alle leicht voneinander abweichen, sich jedoch durch eine Normalverteilung mit Standardabweichung σ und Erwartungswert gleich 0 beschreiben lassen. Dann erhält man mit erf(a/σ√2) die Wahrscheinlichkeit, dass der Fehler einer Einzelmessung zwischen –a und +a liegt.

Die legendärsten mathematischen Kniffe, die übelsten Stolpersteine der Physikgeschichte und allerhand Formeln, denen kaum einer ansieht, welche Bedeutung in ihnen schlummert: Das sind die Bewohner von Freistetters Formelwelt.
Alle Folgen seiner wöchentlichen Kolumne, die immer sonntags erscheint, finden Sie hier.

Schaut man sich die Fehlerfunktion grafisch an, sieht man eine Kurve, die für x < 0 vom Wert −1 aus zuerst langsam und dann schneller ansteigt, für x = 0 den Wert 0 erreicht und dann symmetrisch zu den negativen Werten zuerst schneller und schließlich langsamer in Richtung +1 anwächst. Die Fehlerfunktion gehört zur Gruppe der Sigmoidfunktionen, die wegen ihrer charakteristischen Form auch S-Funktionen oder Schwanenhalsfunktionen genannt werden. Um die Werte der Fehlerfunktion zu bestimmen, muss man sich allerdings auf eine numerische Berechnung verlassen, denn die Stammfunktion lässt sich nicht direkt berechnen. Dafür aber entsprechende Reihen- oder Kettenbruchentwicklungen, die eine Näherung erlauben.

Fehlerfunktion | Die Fehlerfunktion lässt sich zwar nicht exakt berechnen, aber immerhin annähern.

Die Fehlerfunktion ist leicht mit dem Fehlerintegral zu verwechseln (und tatsächlich kann man beide leicht ineinander umformen). Tatsächlich handelt es sich dabei jedoch um zwei unterschiedliche mathematische Konzepte. Das Fehlerintegral berechnet die Wahrscheinlichkeit, mit der eine Zufallsvariable (die standardnormalverteilt ist) einen Wert kleiner oder gleich x annimmt. Als praktisch erweisen sich allerdings beide Funktionen, sobald man es mit Wahrscheinlichkeiten, bestimmten Differenzialgleichungen oder der Nachrichtentechnik zu tun hat. Im letzten Fall kann man mit Hilfe der Fehlerfunktion beispielsweise die »bit error rate« bestimmen, also die Anzahl der bei einer Datenübertragung empfangenen Bits, die durch Rauschen, Interferenz und andere Fehlerquellen verändert worden sind.

Sollte man in seinem Browser allerdings einmal einen Fehler mit der Nummer 418 sehen, dann hat das weder mit fehlerhaften Bits noch mit der Fehlerfunktion zu tun. Sondern mit einem Aprilscherz aus dem Jahr 1998, der darauf hinweist, dass man mit einer Teekanne keinen Kaffee kochen kann. Die Details dieses »Hyper Text Coffee Pot Control Protocol« darf die Leserschaft aber gern selbst recherchieren.

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