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Editorial: Von Quanten und Teilchen

Als Schüler in Hamburg hat mich nachhaltig ein Klassenausflug beeindruckt, der uns an das dortige Forschungszentrum DESY führte (Deutsches Elektronen-Synchrotron, eine besondere Form eines Teilchenbeschleunigers). Etwa zehn Jahre später brachte mich meine eigene Forschungstätigkeit zurück in die DESY-Hallen und zu weiteren Synchrotrons in Deutschland. Stets blickte ich ehrfürchtig auf die technische Komplexität, die eine einzelne Person längst nicht mehr begreifen kann. Solche gigantischen Maschinen mit kilometerlangen edelstahlglänzenden Röhren und zahllosen tonnenschweren Geräten sind Paradebeispiele dafür, welchen immensen Aufwand wir inzwischen betreiben in unserem Streben, die subatomaren Sphären zu verstehen.

Das ist durchaus berechtigt, denn die hartnäckigsten physikalischen Probleme führen selbst von den größten Skalen immer wieder zurück in die Welt der Elementarteilchen. Durch deren geschickte Manipulation wollen Fachleute grundsätzliche Fragen klären, zum Beispiel: Wie sah das Universum in seinen ersten Sekundenbruchteilen aus? Zwar gibt es bereits ausgefeilte Theorien zu den fundamentalen Wechselwirkungen. Doch zu dem, was bei höchsten Energien und auf winzigsten Maßstäben passiert, offenbaren die Modelle einige Ungereimtheiten. Klarheit können nur präzisere Daten schaffen (S. 6).

Bei Teilchenphysik geht es nicht nur um fundamentale Theorien, sondern ebenso um ganz alltägliche Felder wie Materialwissenschaft und Energietechnik. Hier hängen maßgebliche Fortschritte letztlich davon ab, wie gut es gelingt, die Kräfte zwischen einzelnen Partikeln zu verstehen und zu steuern. So sind die Maschinen, die der Menschheit mittels Bändigung ultraheißer Plasmen eine neue Energiequelle erschließen sollen, nicht weniger komplex (und nicht weniger teuer) als hochgerüstete Beschleuniger (S. 22).

Schließlich durfte ich – wiederum gut ein Jahrzehnt später – als Redakteur bei Spektrum der Wissenschaft in Heidelberg bezeugen, dass spannende Forschung auf diesen Gebieten durchaus noch ein paar Nummern kleiner geht. Hier stand ich bei der Recherche zu Experimenten zur Dynamik des frühen Kosmos nicht etwa vor einem hochkomplexen Riesenapparat, sondern vor einem überschaubaren, aber trickreichen Versuchsaufbau im Kellerraum eine Physikinstituts. Dort genügte ein Tisch mit einigen sorgfältig justierten Lasern für entsprechende Simulationen (S. 62). In anderen Laboren stellen verblüffend ähnliche Versuchsaufbauten exotische quantenmechanische Effekte in Kristallen nach (S. 72). Auch in diesen Fällen sind Einblicke ins Weltall und in irdische Materie enger miteinander verbunden, als man zunächst denkt.

Einen erkenntnisreichen Blick aufs Allerkleinste wünscht Ihr
Mike Zeitz

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