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Anthropozän: Lärmverschmutzung beeinträchtigt Vogelbruten

Verkehrslärm belastet Menschen und Tiere – auch wenn sie noch nicht geboren sind. Das zeigt eine Studie an Zebrafinken und ihren Gelegen.
Zwei Zebrafinken sitzen auf einem Zweig vor verschwommenem grünen Hintergrund. Die Vögel besitzen rote Schnäbel, rostbraune Wangen, braun-weiß gesprenkelte Flügel, einen graubraunen Rücken, eine weiß-schwarz gestreifte Brust und einen weißen Bauch. Der Schwanz ist weiß-schwarz.
Zebrafinken gehören zu den Lieblingstieren der Verhaltensforschung, weil sie leicht zu züchten und zu halten sind.

Eine der positiven Nebenwirkungen der Corona-Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 war die geringere Lärmbelästigung von Mensch und Umwelt: Während der Lockdowns und der eingeschränkten Mobilität wurde es vor allem in den großen Städten und entlang der Straßen ruhiger. Vögel zwitscherten leiser, weil sie Motoren und andere Geräusche nicht mehr übertönen mussten. Längst ist der Lärmpegel wieder angestiegen, und das beeinträchtigt ganz konkret die Vogelbrut, wie eine Studie von Alizée Meillère und ihrem Team von der australischen Deakin University in Waurn Ponds zeigt: Eine hohe Geräuschkulisse belastet die Vögel bereits im Ei.

Die Fachleute hatten Gelege von Zebrafinken (Taeniopygia castanotis) künstlich bebrütet: entweder ganz in Stille, unter eingespieltem Gezwitscher von Artgenossen oder Verkehrslärm. Zudem setzten die Forschenden frisch geschlüpfte Küken bis zu 13 Nächte jeweils rund vier Stunden diesen Geräuschen aus. Mit gravierenden Folgen. Aus den mit Verkehrsgeräuschen beschallten Eiern schlüpften 20 Prozent weniger Küken als aus den Gelegen ohne solche Belastung. Auch waren die Tiere im Schnitt um 10 Prozent kleiner und bis zu 15 Prozent leichter als ihre Artgenossen, die in Stille oder mit Gezwitscher herangereift sind.

Die Analyse von Blutproben ergab, dass die Telomere – die Endstücke der Chromosomen – der lärmbelasteten Küken zudem signifikant kürzer waren als bei der Vergleichsgruppe: ein Zeichen für starken Stress. Die Folgen dieser frühen Beeinträchtigung zogen sich bis zur Geschlechtsreife der Vögel. Selbst wenn sie danach nicht mehr mit einer starken Geräuschkulisse leben mussten, produzierten sie nur halb so viele Nachkommen wie gesunde Zebrafinken.

Ob die Ergebnisse auf die freie Natur übertragbar sind, muss noch untersucht werden. Frühere Studien, in denen die Gelege und Küken zwar Verkehrslärm ausgesetzt waren, bei denen sich die Elterntiere aber um den Nachwuchs kümmern durften, zeigten keine Beeinträchtigungen für die Jungtiere. Womöglich kompensierten die Eltern die Nachteile des Lärms durch häufigeres Füttern oder längeres Behüten am Nest. Andere Arbeiten wiesen jedoch bereits nach, dass Lärm prinzipiell schädlich sein kann – auch für Vögel.

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  • Quellen
Science 10.1126/science.adp1664, 2024

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