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Paläontologie: Der lange Marsch

Tyrannosaurus, Brontosaurus, Velociraptoren und Pterosaurier - fast jedes Kind und viele Erwachsene kennen diese Urzeitechsen als Herrscher ihrer Epoche. Und tatsächlich regierten die Dinos unsere Erde so ausdauernd wie noch kein anderes Lebewesen. Ihr Aufstieg zur Macht dauerte allerdings deutlich länger als gedacht.
Dinosaurier (hinten) und ihre Vorfahren (vorne)
Chicxulub heißt der Übeltäter, der den Dinosauriern den endgültigen Garaus bereitet haben soll: Der Einschlag des Asteroiden vor rund 65 Millionen Jahren gilt als wahrscheinlichste Ursache für das Massenausterben der Tiere an der erdgeschichtlichen Grenze von der Kreidezeit zum Tertiär. Erst als die dominanten Echsen verschwunden waren, konnten sich die damals bereits vorhandenen Säugetiere in voller Blüte entfalten und ihren biologischen Siegeszug antreten, der bis heute fortdauert.

Friedhof der Saurier | Auf der Ghost Ranch in New Mexico entdeckten Forscher tausende fossiler Knochen, die die Geschichte der Dinosaurier und ihrer Vorfahren umschreiben könnten.
Prinzipiell ließe sich dies sogar als Ironie des Schicksals interpretieren, denn die Dinosaurier waren selbst Profiteure einer Katastrophe planetaren Ausmaßes, die ihrerseits frühe Vorfahren der Säugetiere traf: die Therapsiden. Sie waren im Perm bis vor 240 Millionen Jahren sehr erfolgreich, verschwanden dann aber im Verlaufe des Perm-Trias-Massenaussterbens, das mehr als zwei Drittel aller landlebenden Spezies dahinraffte. Nur wenige Therapsidengruppen überlebten dieses Ereignis – dessen genaue Ursache noch unbekannt und womöglich auch auf ein extraterrestrisches Geschoss zurückzuführen ist – und führten anschließend nur ein Nischendasein. Stattdessen nutzten die so genannten Archosaurier die Gunst der Stunde, breiteten sich aus und spalteten sich in zahlreiche Arten auf: die Urväter der heutigen Krokodile und Vögel, aber auch der Dinosaurier.

Doch so plötzlich wie Dino-Ahnen aufstiegen, gingen sie auch wieder unter und wurden, in geologischem Maßstab quasi über Nacht, rasch durch modernere Dinosaurier-Arten ersetzt – zumindest sprachen die wenigen Fossilien aus dieser Zeit lange für einen schnellen Wandel. Was diesen Exitus vor 235 Millionen Jahren aber ausgelöst haben soll, liegt im Dunkeln, ein gravierender Klimawandel wird als mögliche Ursache diskutiert. Zweifel an der Theorie des raschen Echsen-Tods erwuchsen zudem, als der Bestand an nordamerikanischen Fossilien aus der Trias neu untersucht und klassifiziert wurde, wodurch sich die Zahl der bekannten triassischen Dinosaurier-Spezies drastisch verringerte.

Dino- und Archosaurier im Vergleich | Rekonstruktion der Skelette von Dromomeron romeri (vorne links), seinem pflanzenfressenden Archosaurus-Verwandten ohne Namen (rechts daneben), Chindesaurus bryansmalli (ganz rechts) und einem Coelophysis-Verwandten (ganz hinten). Bis auf die namenlose Kreatur waren sie alle Fleischfresser.
Nun bringen Fossilienfunde von Randall Irmis von der Universität von Kalifornien in Berkeley und seinen Kollegen dieses Gedankengebäude weiter zum Wackeln. Insgesamt gruben die Paläontologen knapp 1300 Überreste von Wirbeltieren auf der Ghost Ranch im Norden New Mexicos aus – darunter die Knochen von Amphibien, Krokodilen, Fischen und Dinosauriern, aber auch jene von Archosauriern, die es zum Zeitpunkt ihrer Ablagerung vor 220 bis 210 Millionen Jahren gar nicht mehr hätte geben dürfen.

Damit hätten die beide Gruppen jedoch mindestens 15 bis 20 Millionen Jahre parallel zueinander gelebt, ohne dass dies einer der Linien geschadet hätte. Vielmehr belegen die Versteinerungen, dass sich auch die Archosaurier kontinuierlich weiterentwickelten und bis in die späte Trias neue Arten hervorbrachten, bis sie schließlich am Ende dieser Epoche ausstarben. Die vorhandenen ökologischen Nischen und Ressourcen mussten sie sich dabei relativ zufriedenstellend für beide Seiten aufgeteilt haben, denn in der fossilen Schatzkammer entdeckten die Paläontologen eine Reihe von Fleischfressern – darunter die fossilen Beinknochen der Dinosaurier Chindesaurus bryansmalli und Coelophysis, die auf zwei Beinen Jagd auf Beute machten.

Sie waren allerdings relativ groß verglichen mit Dromomeron romeri – einem Archosaurier und wohl sensationellsten Fund der Ausgrabungen, denn ihn kannte Wissenschaft zuvor nicht. Dromomeron maß nur knapp einen bis eineinhalb Meter von der Schnauze bis zur Schwanzspitze und lief wie seine Kollegen auf zwei Beinen. Womöglich fiel er diesen auch gelegentlich selbst zum Opfer, während er selbst Jagd auf kleinere Tiere machte.

Ans Tageslicht kam außerdem noch ein weiterer neuer Archosaurus, der das bisherige Bild dieser Tiergruppe gehörig verändert. Denn bislang betrachtete die Wissenschaft sie als reine Fleischfresser, die wie Dromomeron romeri relativ kleinwüchsig auf zwei Beinen herumstolzierten. Auf dem Gebiet der Ghost Ranch verendete jedoch gegen Ende der Trias auch ein – namentlich noch nicht festgelegter – vierfüßiger, mit knapp 3 bis 4,5 Metern Länge relativ großer Pflanzenfresser, der mit einem Schnabel die Vegetation abweidete.

Paläontologie ist Schwerstarbeit | Paläontologie ist Schwerstarbeit: Die Forscher müssen geraumes Erdmaterial wegschaufeln, bis sie an die Fossilien gelangen.
Warum all diese Archosaurier in Nordamerika lange Zeit parallel mit ihren Nachfolgern überdauerten, während in den argentinischen Fundstätten – die das Gros zum Wissen über die frühe triassische Fauna beisteuerten – ein rapider Wechsel stattfindet, können sich die Forscher aber noch nicht recht erklären. Eventuell, so Irmis, könnte es an der Verteilung der kontinentalen Platten während der Trias gelegen haben: Damals waren die Landmassen der Erde zum einzigen Superkontingent Pangäa verschmolzen. New Mexico lag im Bereich des Äquators, Teile des heutigen Argentinien dagegen in höheren Breiten und damit in etwas gemäßigteren Gefilden. Womöglich machten Klimaschwankungen den Archosauriern hier zu schaffen. Es könnten aber auch ganz simple Gründe den Unterschied zwischen Nord und Süd erklären, wie die Forscher selbst zugeben: Vielleicht liegt es nur daran, dass sie bis jetzt schlicht zu wenige Fossilien aus der Trias gefunden haben.

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