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Neurobiologie: Der Motivationstrainer

Belohnungen führen meist zu besserer Gedächtnisleistung - auch dann, wenn man die ersehnte Prämie nur erwartet. Der Grund für diese Stimulation liegt im Zusammenspiel mehrerer Hirnregionen.
Schädel
Manchmal geht einfach alles schief: Eine Gedächtnislücke mitten im Unireferat, den Geburtstag der Schwiegermutter vergessen, und der Name des Tischnachbarn in der Kantine will auch aufs Verderben nicht einfallen. Erste Anzeichen mentaler Verrostung? Möglich. Vielleicht waren die vergessenen Informationen aber auch einfach nicht reizvoll genug, um das Gehirn zu wirksamer Gedächtnisleistung zu motivieren.

Nicht nur in der heutigen Pädagogik gilt Motivation als ein wichtiges Schlüsselelement erfolgreichen Lernens. Anders als das Erfassen wichtiger Daten auf Grund eines Stimulus oder eines sich wiederholenden Feedbacks, welches die Assoziation zwischen Stimulus und Information stärkt und so im Gehirn einschleift – besonders gern verwandt bei Strafarbeiten à la "Du sollst nicht lügen" –, kann die Motivation nämlich auch aus dem lernenden Individuum heraus erzeugt werden. Man denke etwa an das humanistische Ideal der intellektuellen Befriedigung.

Meist jedoch sind äußere und eher profane Faktoren ausschlaggebend für das Entstehen der bedeutsamen Lernvoraussetzung: eine gute Note im Schulreferat, der Gehaltscheck am Ende des Monats oder einfach nur der anerkennende oder neidische Blick der lieben Kollegen. Belohnungen, so scheint es, sind immer noch der beste Motivator. Eine Studie der Neurowissenschaftlerin Alison Adcock und ihrer Kollegen der Universität von Kalifornien und der Standford-Universität in San Francisco entdeckte nun den Grund für diese etwas selbstsüchtige menschliche Eigenheit.

Die Forscher baten zwölf Probanden, gegen Belohnung zwei unterschiedliche Gedächtnisaufgaben zu lösen. Währenddessen registrierten sie die Hirnaktivitäten ihrer Teilnehmer mittels funktioneller Kernspinresonanztomografie. Diese ermittelt die Durchblutung der unterschiedlichen Hirnareale und kann so Auskunft darüber geben, welche Gebiete bei den jeweiligen Kognitionsvorgängen in Anspruch genommen wurden.

Die erste Aufgabe der Teilnehmer bestand darin, beim Aufblitzen eines weißen Rechtecks auf einem Monitor eine bestimmte Taste zu drücken. Vor jedem Versuch wurde ihnen mit unterschiedlichen Symbolen signalisiert, wie hoch die jeweilige Belohnung ausfällt, wenn sie schnell genug reagieren. Ziel dieses Testes war es, mittels der Tomografie diejenigen Areale des Gehirnes zu identifizieren, die sich besonders regen, wenn eine Belohnung zu erwarten ist.

Fündig wurden die Wissenschaftler hierbei im mesolimbischen System, genau genommen in der Area ventralis tegmentalis (AVT) sowie im Nucleus accumbens. Die AVT ist eine im Mittelhirn gelegene Zellgruppe, deren Neuronen den Transmitter Dopamin produzieren und die Hirnfoscher daher schon lange mit belohnungsabhängigen Reaktionen in Verbindung gebracht haben. Beide Gebiete waren immer dann besonders durchblutet, wenn die Belohnung mit fünf Dollar sehr hoch war, und nur gering aktiv, wenn es keinerlei Vergütung gab.

Die zweite Aufgabe der Probanden bestand nun darin, sich bestimmte Szenen einzuprägen und sie am folgenden Tag aus einer Reihe verschiedener Bilder auszuwählen. Auch hier wurde vor jeder Bildsequenz ein Symbol eingeblendet, das angab, wie viel Geld bei erfolgreicher Memorierung zu gewinnen war.

Wie die Forscher erwartet hatten, konnten sich die Teilnehmer am nächsten Tag eher an solche Szenen erinnern, die fünf Dollar wert waren, als an solche, die nur knauserige zehn Cent abwarfen. Die Ergebnisse der Kernspinresonanztomografie waren jedoch noch bezeichnender: Regten sich die belohnungsabhängigen Hirnareale AVT und Nucleus accumbens während der Testphase, in welcher der jeweilige Geld-Wert angezeigt wurde, besonders stark, dann blieb auch das dazugehörige Bild später besser im Gedächtnis. Szenen, die später vergessen wurden, hatten in ihrer Vorhut jedoch nur eine geringe Aktivität des Belohnungszentrums zu verzeichnen. Ebenso lockte auch das Versprechen geringer Geldbeträge nur wenige entsprechende Nervenzellen in den Aktivzustand.

Auch Teile des Hippocampus, dessen Aktivität mit Gedächtnisleistungen in Zusammenhang steht, waren schon vor der eigentlichen Lernaufgabe aktiv. Und auch hier galt: Je höher die Aktivität dieser Hirnregion schon während des Belohnungssignals war, umso größer war die Wahrscheinlichkeit, dass die spätere Szene auch wirklich erinnert wurde. Ein spezifischer Vergleich der jeweiligen Tomografie-Ergebnisse der einzelnen Teilnehmer ergab zudem eine deutliche Korrelation zwischen aktivierter AVT und aktivierten Hippocampus-Arealen.

Schon vor der erfolgreichen Informationsspeicherung waren also alle drei Hirnbereiche aktiviert. Da jedoch während der eigentlichen Gedächtnisleistung, dem Einprägen der Szene, nur der Hippocampus stark durchblutet wurde, vermuten Adcock und ihre Kollegen, dass die beiden anderen Areale beim Lernen selbst nicht beteiligt sind, sondern allein dazu dienen, den Speicherungsprozess anzuregen: das mesolimbische System – der Motivationstrainer des Hippocampus.

Möglicherweise, so die Forscher, sei auch eine Dopaminausschüttung seitens des AVT verantwortlich für die schnelle und erfolgreiche Vorab-Aktivierung des Lernzentrums. Dies könne jedoch allein mit einer funktionalen Kernspinresonanztomografie nicht ermittelt werden und bedürfe daher weiterer Studien.

Eines scheint zumindest klar: Das Bild des Gehirns als neutralem Datenverarbeiter gerät immer stärker ins Wanken. Nicht nur die äußeren Einflüsse, auch die inneren Erwartungen tragen erheblich zum Umgang mit externen Informationen bei. Es bleibt allerdings zu klären, ob neben dem untersuchten kapitalistischen Entlohnungsprinzip auch andere Formen der Anerkennung in der Lage sind, die Gedächtnisleistung positiv zu beeinflussen.

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