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News: Des einen Leid, des anderen Freud

Supraleitung und Magnetismus verstehen sich gar nicht gut. Im Gegenteil: Magnetische Verunreinigungen heben in aller Regel den widerstandslosen Stromtransport auf. Bei den keramischen Hochtemperatur-Supraleitern scheint das jedoch anders zu sein. Theoretiker sagten voraus, dass ein magnetischer Mechanismus für den Effekt verantwortlich ist, und das bestätigt sich nun offenbar auch im Experiment.
Supraleitung gehört zu den besonders spektakulären Phänomen in der Physik. Seit 1911 kennt man Materialien, die unterhalb einer bestimmten Temperatur – der Sprungtemperatur – ihren elektrischen Widerstand verlieren. Vor 1986 mussten jedoch alle supraleitenden Materialien so tief gekühlt werden, dass sich nur flüssiges Helium mit einem Siedepunkt von minus 269 Grad Celsius als probates Kühlmittel anbot – eine recht teures Unterfangen.

Im Jahr 1986 entdeckten Georg Bednorz und Alex Müller, beide vom IBM Zurich Research Laboratory, ein keramisch-oxidisches Material, das den Rekord der höchsten Sprungtemperatur um zwölf Grad Celsius verbesserte. Dies war allerdings nur der Auftakt einer ganzen Reihe von Versuchen, in denen neue, ähnliche Materialien zum Zuge kamen, und in der Folgezeit jagte ein Rekord den nächsten. Diese so genannten Hochtemperatur-Supraleiter hatten alsbald Sprungtemperaturen weit über dem Siedpunkt von Stickstoff – einem deutlich günstigeren Kühlmittel.

Bis heute ist allerdings das Phänomen der Supraleitung bei diesen neuen keramischen Stoffen noch nicht vollständig verstanden. Während für einen konventionellen metallischen Supraleiter Verunreinigungen durch ein magnetisches Material äußerst schädlich sind, ja den Effekt gar aufheben können, so vermutet man, dass die Hochtemperatur-Supraleiter erst aufgrund einer magnetischen Wechselwirkung funktionieren.

Nun scheint sich die Vermutung auch im Experiment zu bestätigen: Denn Eric Hudson von der University of California in Berkeley und seine Kollegen konnten mit Hilfe eines Rastertunnelmikroskops (STM) den Effekt von magnetischen Störstellen in einem Kupferoxid-Hochtemperatur-Supraleiter beobachten. Sie untersuchten zunächst einzelne Zinkatome in Bi2Sr2CaCu2O8+d kurz BSCCO – einem Material, das eine Sprungtemperatur von 85 Kelvin besitzt. Anschließend bauten die Wissenschaftler Nickelatome in das Kristallgitter des Supraleiters ein. Da Nickel magnetisch ist, erhofften sie sich weiteren Aufschluss über die quantenmechanischen Effekte, welche die Supraleitung hervorrufen.

Aufnahmen mit dem STM zeigten dann tatsächlich, dass Nickel die Supraleitung weniger schwächte als das unmagnetische Zink. Hier sahen die Wissenschaftler lediglich eine Elektronenwolke, in die das Zinkatome gehüllt war. Beim Nickel hingegen sah es so aus, als würden zwei verschiedene Wolken das Fremdatom umarmen – eine Wolke mit Spin-rauf-Elektronen, mit einer höheren Energie, und eine andere mit Spin-runter-Elektronen, bei entsprechend tieferer. Die Physiker konnten die unterschiedlichen Wolken durch Variationen des Tunnelstroms ihres Messgerätes erkennen. Außerdem fanden sie heraus, dass im Umfeld des Nickelatoms Elektronen und Löcher in einer Wolke zu gleichen Teilen vorlagen. Beides spricht deutlich dafür, dass die Nickelatome die Supraleitung nicht zerstören.

Neben dieser grundsätzlichen Erkenntnis zu magnetischen Störstellen und der Bestätigung der Theorie hat die Entdeckung aber auch einen handfesten praktischen Wert: "Eine der großen Aufgaben der Festkörperphysik ist es, Informationen in einzelnen Atomen zu speichern", meint Séamus Davis, Physiker an der University of California in Berkeley und dem Lawrence Berkeley National Laboratory. Und genau das könnte mit der Technik von Hudson, Davis und anderen Mitarbeiten auch gelingen, denn das Rastertunnelmikroskop eignet sich offenbar hervorragend dafür, den Spin der Elektronen eines ferromagnetischen Atoms zu erfassen und damit auch dessen magnetische Ausrichtung festzustellen. Der Spin ließe sich dann zum Beispiel als kleinste Informationseinheit, als so genanntes Qubit, für einen Quantencomputer nutzen.

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  • Quellen
University of California, Berkeley
Nature 411, 920–924 (2001)
Nature 411, 901–903 (2001)
Nature 403, 746–750 (2000)

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