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Kristallwachstum: Diamanten züchten leicht gemacht

Ein neues Verfahren widerlegt die lange bestehende Annahme, Diamanten könnten nur bei enormem Druck wachsen. Tatsächlich ähnelt die Technik einem bekannten Schulexperiment.
Ein Diamant auf hellem Hintergrund.
Man kann ganz einfach testen, ob ein Schmuckstein Glas oder Diamant ist. Man hält ihn einmal kurz in die Flamme eines Gasbrenners. Wenn er verbrennt, war es ein echter Diamant.

Diamanten gelten als die edelsten aller Minerale. Es scheint passend, dass außerordentliche Umstände nötig sind, sie hervorzubringen. In der Natur wachsen reine Diamanten mehr als 150 Kilometer tief unter den extremen Bedingungen des oberen Erdmantels. Im Labor benötigt man zur Diamantproduktion Apparaturen, die mehr als den 50 000-fachen Atmosphärendruck erzeugen können. Der Grund: Erst bei solchen hohen Drücken ist Diamant stabiler als Graphit. Deswegen galt hoher Druck bisher als Grundbedingung, damit sich Diamant aus kohlenstoffhaltigen Lösungen abscheidet. Umso überraschender ist nun eine Entdeckung des Teams um Rodney S. Ruoff vom Institute for Basic Science im koreanischen Ulsan. Wie die Arbeitsgruppe in der Fachzeitschrift »Nature« berichtet, wachsen Diamanten in einer flüssigen Legierung ganz ohne Überdruck. Die Technik benötigt nicht einmal Kristallkeime, die bei den bisherigen Verfahren meist verwendet werden.

Die Legierung besteht aus Gallium, Eisen, Nickel und Silizium, die in einem Gasgemisch aus Methan und Wasserstoff auf 1025 Grad Celsius erhitzt wird. Im Prinzip entspricht die Technik nun dem klassischen Schulexperiment, mit dem man Kohlendioxid nachweist. Ganz ähnlich, wie dort Kohlendioxid in Kalkwasser zu Karbonat reagiert und als Kalk auskristallisiert, reagiert das Methan mit den Metallen in der Schmelze zu einem reaktiven Zwischenprodukt, das sich dann in Form von Diamantkristallen abscheidet. Wie die Arbeitsgruppe um Ruoff berichtet, lösen sich sehr große Mengen Kohlenstoff in der Legierung: mehr als 25 Prozent in jenen Bereichen, in denen die Diamanten entstehen. Das Silizium in der Lösung spielt eine entscheidende Rolle für den Prozess. Ohne das Element bilden sich keine Diamanten, und die entstehenden Diamantfilme enthalten an manchen Stellen Siliziumatome, die zwei benachbarte Kohlenstoffatome ersetzen.

Solche als SiV-Zentren bezeichneten Defekte sind für sich genommen interessant für optische und elektronische Anwendungen. In dem Experiment allerdings störten sie: Nach einer Weile war zu viel Silizium aus der Lösung verschwunden, und die Diamanten wuchsen nicht mehr weiter. Außerdem sind die entstandenen Diamantfilme farbig, vermutlich durch diese und andere Arten von Fehlern in den Kristallen. Dennoch öffnet die überraschende Entdeckung, dass sich Diamant auch bei Atmosphärendruck einfach aus einer Lösung ausfällen lässt, ganz neue technische Möglichkeiten. Nach Ansicht der Arbeitsgruppe kann man das Verfahren so optimieren, dass sich Diamanten mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften und Abmessungen züchten lassen. So gebe es eine enorme Bandbreite an anderen potenziell geeigneten Legierungen, und auch andere Gase als Kohlenstoffquelle seien möglich.

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