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News: Die Wiege der Menschheit

In der biblischen Schöpfungsgeschichte schuf Gott zuerst den Mann Adam und aus dessen Rippe sein weibliches Pendant Eva. Nach der wissenschaftlichen Version der Genesis liegen unsere Wurzeln jedoch im Schwarzen Kontinent, wo sich vor einigen Millionen Jahren die Entwicklungslinien der Menschenartigen von den Menschenaffen trennten. Aber stammt der moderne Homo sapiens von einem gemeinsamen afrikanischen Urahn ab oder kristallisierte er sich parallel in verschiedenen Regionen des Erdballs heraus? Zumindest ostasiatische Populationen kennen nun ihren Ursprung: Ihre Wiege steht in Afrika.
In diesem Punkt sind sich die Anthropologen einig: Der menschliche Stammbaum entsprang irgendwann vor etwa 2,5 Millionen Jahren in Afrika, als aus unseren noch affenähnlichen Urahnen der Gattung Australopithecus die Gattung Homo hervorging. Kaum entstanden zog ungefähr 500 000 bis eine Millionen Jahre später der frühe "aufrechte Mensch", der Homo erectus, schon hinaus in die Welt und besiedelte Asien und Europa.

So weit, so gut. Doch noch immer zerbrechen sich die Wissenschaftler über den Ursprung des modernen Menschen Homo sapiens den Kopf: Hat er sich – wie die Anhänger der multiregionalen Theorie behaupten – aus den Nachfahren der afrikanischen Einwanderer gleichzeitig in mehreren Regionen der Erde entwickelt? Oder entstand er – wie die "Out-of-Africa-Hypothese" besagt – ausschließlich auf dem Schwarzen Kontinent, von wo aus er die Welt eroberte und alle anderen archaischen Populationen verdrängte?

Mithilfe der wie ein Ypsilon aussehenden Träger der Erbinformation brachte nun eine Gruppe von Wissenschaftlern aus China, Indonesien, England und den USA weiteres Licht in das Dunkel um unsere geheimnisvollen Wurzeln. Das männliche Geschlechtschromosom eignet sich deshalb gut für Stammbaum-Untersuchungen, weil es bis auf spontane Mutationen unverändert vom Vater auf den Sohn vererbt wird und mehr evolutionäre Informationen liefert als die sonst verwendete mitochondriale DNA.

Die Forscher analysierten das Y-Chromosom von 12 127 Männern aus 163 ostasiatischen Populationen und suchten an drei Stellen des Erbfadens nach spezifischen Veränderungen – und wurden fündig: Jede der untersuchten Proben wies eine der drei Vielgestaltigkeiten auf. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass die modernen Menschen afrikanischen Ursprungs Ostasien komplett neubesiedelt und frühere Populationen verdrängt haben. Denn "wenn nur ein einziger Mann keine derartige Mutation trüge, würde dies auf einen möglichen altertümlichen Ursprung hinweisen und vermutlich die Theorie der vollständigen Eroberung verwerfen", erläutern die Wissenschaftler.

Mark Shriver vom Penn State gibt jedoch zu Bedenken, dass trotz des eindeutigen Ergebnisses Kreuzungen zwischen Homo erectus und Homo sapiens nicht auszuschließen sind: So könnten alle vom Homo erectus geerbten Y-Chromosomen aus der Population verschwunden sein, weil deren Träger besonders anfällig für eine tödliche Krankheit waren. Auf den Y-Chromosomen befindliche Beweise für eine Vermischung der beiden Arten fehlten auch dann, wenn sich nach der Einwanderung lediglich Homo-erectus-Frauen mit Homo-sapiens-Männern gepaart haben und nicht umgekehrt Homo-sapiens-Frauen mit Homo-erectus-Männern.

Derartige Möglichkeiten sind zwar denkbar, aber dennoch sprechen die große Anzahl und die breite geographische Streuung der untersuchten Populationen für die Richtigkeit der Ergebnisse. Auch die genetische Drift – die Tendenz kleinerer Populationen, ihre Erbinformationen im Laufe der Zeit schrittweise zu verändern – kann nicht die Ursache der neuen Resultate sein. Denn es ist schwer vorstellbar, dass sich solche Mutationen bei allen Völkern in die gleiche Richtung bewegt haben.

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  • Quellen
Penn State
Science 292(5519): 1151–1153 (2001)

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