Frühes Universum: Erste Galaxien entstanden früher als angenommen
Nun fuhren die Astronomen noch schwerere Geschütze auf und setzten das Zehn-Meter-Keck-II-Teleskop auf dem Gipfel des Mauna Kea im US-Bundesstaat Hawaii ein, um die Galaxie spektroskopisch zu untersuchen. Es gelang ihnen, Spektren der Galaxie aufzunehmen und darin die Wellenlänge Lyman-alpha des ionisierten Wasserstoffs zu identifizieren. Ein Vergleich des Lyman-alpha-Lichts der Galaxie mit der im Labor gemessenen Wellenlänge ermöglichte es, die Rotverschiebung des fernen Sternsystems von z = 6,027 zu bestimmen. Dies entspricht einer Zeit, als das Universum etwa 950 Millionen Jahre alt war. Das Gesamtalter des Universums wird derzeit auf 13,7 Milliarden Jahre geschätzt.
Die gemessene Rotverschiebung weist diese Galaxie aber weder als die älteste noch als die am weitesten entfernte bekannte Galaxie aus. Tatsächlich sind den Astronomen Galaxien mit Werten von z = 8 und in einem Fall sogar mit z = 10 bekannt. Letztere leuchtete schon, als das Universum nur 400 Millionen Jahre alt war. Aber die neuentdeckte Welteninsel besitzt Eigenschaften, die sie besonders hervorheben.
Die Entdeckung hat aber noch Folgen jenseits der Frage wann sich die ersten Galaxien bildeten. Sie könnte erklären, wie das Universum durchsichtig für kurzwelliges Licht wurde. In seiner Frühzeit war das Universum von einem dünnen Nebel aus neutralem Wasserstoff angefüllt, der das Ultraviolettlicht von Sternen absorbierte, wodurch das Weltall undurchsichtig war.
Eine noch nicht näher bekannte Quelle muss dann damit begonnen haben, den neutralen Wasserstoff zu ionisieren und damit das Weltall für das ultraviolette Licht durchsichtig zu machen. Dieser Vorgang wird als "Reionisation" bezeichnet. Als Hauptverdächtige gelten hier junge, neu gebildete Galaxien, deren massereiche Sterne große Mengen an energiereicher ultravioletter Strahlung erzeugen und damit den Wasserstoff ionisieren. Allerdings fanden sich bislang bei Weitem nicht genug Galaxien, um die benötigte Strahlungsmenge freizusetzen.
Die neue Entdeckung könnte jetzt helfen, dieses Rätsel zu lösen: Wahrscheinlich gibt es sehr viel mehr Galaxien im frühen Universum als bislang angenommen. Sie sind jedoch schon älter und damit leuchtschwächer, da die massereichsten Sterne in ihnen bereits als Supernovae explodierten. Sollte es also in dieser Zeit Unmengen an bereits weiterentwickelten Galaxien gegeben haben, könnten sie die benötigte Strahlung zur Ionisation des intergalaktischen neutralen Wasserstoffs geliefert haben. Um diese Galaxien jedoch ohne die Unterstützung von Gravitationslinsen nachweisen zu können, bedarf es noch leistungsfähigerer Teleskope wie das European Extremely Large Telescope E-ELT mit einem Hauptspiegeldurchmesser von 42 Metern.
Tilmann Althaus
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