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Geologie: Wie die »unmöglichen« Dolomiten entstanden

Die spektakuläre Bergkette besteht aus einem Gestein, dessen Bildung bisher rätselhaft war. Mit Hilfe eines Elektronenstrahls haben Fachleute es nun erstmals im Labor hergestellt.
Steile Felszacken aus hellem Gestein über grüner Wiesenlandschaft, Geisler Gruppe in den Dolomiten.
Die Geislergruppe in den Dolomiten besteht zu einem großen Teil aus hartem, hochgeordnetem Kalziummagnesiumkarbonat.

Eines der spektakulärsten Bergmassive der Alpen dürfte eigentlich nicht existieren – denn das Mineral, aus dem sich die Dolomiten in Norditalien auftürmen, mag einfach keine Kristalle bilden. Obwohl Dolomit aus völlig alltäglichen Stoffen aufgebaut ist, gelang es bisher nicht, ihn im Labor herzustellen. Und auch in der Natur entsteht das Mineral nur unter extremen Bedingungen. Dennoch bildet es in den Alpen kilometerdicke Gesteinsschichten, aus denen über 3000 Meter hohe Gipfel aufgetürmt sind. Dieser Widerspruch ist in der Forschung als Dolomitproblem bekannt und widersetzte sich lange Zeit einer Lösung. Nun allerdings hat ein Team um Wenhao Sun von der University of Michigan einen Weg gefunden, die Entstehung der scheinbar unmöglichen Berge zu erklären.

Dolomit ähnelt chemisch dem ganz gewöhnlichen Kalk. Doch während Kalk neben Karbonat ausschließlich Kalzium enthält, findet man in Dolomit Kalzium und Magnesium zu gleichen Teilen. Außerdem sind die beiden Elemente im Kristall präzise angeordnet: Schichten von Magnesiumionen wechseln sich mit Schichten aus Kalziumionen ab, jeweils getrennt durch Lagen von Karbonat. Diese extreme Ordnung macht die Entstehung von Dolomit so schwierig, berichtet nun die Arbeitsgruppe jetzt in der Fachzeitschrift »Science«. Wie Computersimulationen zeigen, bilden sich beim Kristallisieren von Dolomit aus der übersättigten Lösung – der normalen Art von Kristallwachstum – gemischte Schichten aus Kalzium und Magnesium. Auf denen können jedoch kaum noch weitere Schichten wachsen, weil durch die Unordnung Spannungen im Kristallgitter entstehen.

Einen Ausweg aus dem Problem bietet ein als Reifung bezeichnetes Phänomen. Dabei entsteht die sehr regelmäßige Struktur des Dolomits nicht direkt, sondern indem sich ein ungeordnetes Ausgangsmaterial nach und nach umsortiert. Die entscheidende Erkenntnis des Teams um Sun: Das passiert, wenn sich die Bedingungen zyklisch ändern, so dass die gemischten Kalziummagnesiumkarbonate mal ausfallen, mal sich gerade eben wieder lösen. Solche Bedingungen erzeugte das Team, indem es einen winzigen Dolomitkristall in eine genau gesättigte Lösung brachte und Pulse eines Elektronenstrahls auf die Lösung schoss. Der Strahl lässt das Wasser in Protonen und Hydroxidionen zerfallen, macht es also saurer – dadurch steigt die Löslichkeit. Ist der Strahl aus, steigt der pH-Wert wieder und der Kristall kann wachsen.

Bei ausgeschaltetem Elektronenstrahl lagert sich an der Oberfläche des Dolomits eine Lage aus ungeordnetem Kalziummagnesiumkarbonat an. Doch dieses Material enthält auch kleine Bereiche geordneten Dolomits. Und der ist schwerer löslich als das ungeordnete Material. Schaltete das Team den Elektronenstrahl wieder an, löste sich das ungeordnete Material und der regelmäßige Dolomit blieb zurück. Dieser Prozess ist allerdings extrem langsam, denn die geordneten Regionen wachsen nur mit einer sehr geringen Rate. Im Experiment entstanden in über 3500 Zyklen lediglich 200 Nanometer Dolomit, und das auch nur bei einer erhöhten Temperatur von 80 Grad. Doch Gesteine haben Zeit. Über geologische Zeitskalen von Millionen Jahren können so kilometerdicke Schichten entstehen.

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