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Wetterkapriolen: Sommer im April

Heiß soll es am Wochenende werden – nicht einfach frühsommerlich, sondern schweißtreibend. Deutschland könnte den frühesten Hitzetag seit Beginn der Wetteraufzeichnungen erleben.
Eine Katze liegt vor einem Ventilator
Nach den rekordverdächtig warmen Monaten Februar und März steht uns nun ein echter Hitzetag am ersten Aprilwochenende bevor. Da hilft nur noch Abkühlung vor dem Ventilator.

Der April, so lautet eine Bauernweisheit, macht, was er will. Aber was er im Jahr 2024 im Schilde führt, ist doch eine Nummer zu heftig. Heiß soll es am Wochenende werden. Jedoch nicht einfach frühsommerlich, sondern schweißtreibend. Temperaturen wie sonst eher im Juli oder August kündigen die Wettermodelle für Samstag und Sonntag an. Unfassbare Wärme aus Nordafrika soll große Teile Europas erreichen. Die Wetterkarte für das Wochenende sieht aus wie an einem Tag im Hochsommer: An vielen Orten leuchtet eine dunkelrote 30. Sollte die 30-Grad-Marke tatsächlich überschritten werden, würde Deutschland den frühesten Hitzetag seit Beginn der Wetteraufzeichnungen erleben. Es ist, wie so vieles in diesem noch jungen Jahr, völlig verrückt, was da wettertechnisch passiert.

Und allmählich wird es unheimlich. Nach den rekordverdächtig warmen Monaten Februar und März nun also Hitze Anfang April. Die bevorstehende Wetterlage ist – so viel ist schon sicher – ein Jahrhundertereignis. Vergleichbares findet sich nirgends in der 143 Jahre währenden Geschichte der regelmäßigen und flächendeckenden Aufzeichnung des Wettergeschehens in Deutschland. Die bislang früheste Hitze im Bundesgebiet datiert aus dem frühsommerlichen April 2007, als zur Monatsmitte eine Warmluftblase aus Nordafrika Mitteleuropa erreichte. Herten in Nordrhein-Westfalen meldete damals am 15. des Monats eine Höchsttemperatur von 30,2 Grad.

Jetzt breitet sich erneut eine solche Warmluftblase von Nordafrika nach Europa aus. Am Rande eines mächtigen Tiefdruckgebiets über dem Atlantik wird die heiße Wüstenluft auf den Kontinent gepumpt. Beeindruckt sind die Meteorologen vor allem wegen der großflächigen Ausbreitung der außergewöhnlichen Luftmasse in Europa: Von Spanien bis Westrussland kehrt verbreitet der Frühsommer ein, am Mittelmeer dürften die Temperaturen sogar bis weit über die 30-Grad-Marke klettern. Es ist der furiose Auftakt des Sommerhalbjahres in Europa.

Vor allem der Samstag wird heiß

»Die Luftmasse ist auf jeden Fall rekordwarm«, sagt Karsten Haustein, Klimaforscher an der Universität Leipzig. Bereits jetzt liegen die Temperaturen verbreitet um 15 Grad über den üblichen Werten für diese Jahreszeit, in vielen Gebieten sogar um bis zu 20 Grad. Bei maximaler Sonneneinstrahlung von morgens bis abends würde die Luftmasse in großen Teilen Deutschlands garantiert Hitze bringen, also eine Höchsttemperatur von mindestens 30 Grad. Haustein ist allerdings vorsichtig, jetzt schon das früheste Erreichen der 30-Grad-Marke auszurufen. Denn für die Meteorologen ist diese Wetterlage knifflig. Der Grund ist Saharastaub in der Höhe, der mit der heißen Luftmasse nach Europa verfrachtet wird. Der sorgte schon zu Ostern für hohe, dichte Wolken statt eitel Sonnenschein und deutlich gedämpfte Temperaturen.

Die Frage ist also, wie viel Staub die Wüstenluft am Wochenende im Gepäck haben wird und ob dieser den Himmel nur milchig trübt oder gar völlig bedeckt. »Am ehesten ist am Samstag mit Rekorden zu rechnen, da die Staubschübe von Sonntag an laut Berechnungen intensiver werden«, sagt Haustein. Verglichen mit dem Osterwochenende dürfte insgesamt aber weniger Saharastaub in der Atmosphäre sein, deuten die Modelle an. Insofern ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Sonne bis zum Boden durchheizen kann. Um eine gute Vorhersage zu treffen, behalten die Meteorologen deshalb die Staubmodelle im Blick, denn die üblichen Wettervorhersagen berücksichtigen diesen wichtigen Faktor nicht. Viele Wetter-Apps zeigen deshalb ungetrübten Sonnenschein an, obwohl das keineswegs sicher ist.

Verrückt ist nicht nur der groteske Temperatursprung zum Wochenende, sondern auch seine Dauer. Manche Wettermodelle lassen die Sommerwärme gleich mehrere Tage anhalten. Vor allem im Osten und Südosten könnte es vier oder fünf Tage lang frühsommerlich bleiben, bevor kühlere Atlantikluft einsickert. Möglich ist auch, dass der für die Hitze verantwortliche Hochdruckkeil zu Wochenbeginn schnell wieder verschwindet und typisches Aprilwetter übernimmt.

Doch unabhängig davon, wie es am Ende kommt – ob mit viel Saharastaub und eher gedämpften Temperaturen oder mit einigen Tagen Aprilhitze bei blauem Himmel –, für Klimaforscherinnen und -forscher ändert das nichts an ihrer grundsätzlichen Einschätzung, dass dieser frühe Sommervorstoß ohne Klimawandel nicht möglich wäre. Zwar gab es in der Vergangenheit immer wieder Südlagen auch in der ersten Aprildekade, aber noch nie wehte zu dieser Jahreszeit eine solch unfassbar warme Luftmasse heran.

Die frühe Aprilhitze folgt auf einen rekordwarmen Februar, einen rekordwarmen März und einen insgesamt rekordwarmen Jahresbeginn

Die frühe Aprilhitze folgt auf einen rekordwarmen Februar, einen rekordwarmen März und einen insgesamt rekordwarmen Jahresbeginn. Vor allem der Februar pulverisierte den alten Wert gleich um fast ein ganzes Grad und brachte mit einer Durchschnittstemperatur von 6,6 Grad Wärme wie normalerweise erst der April. In der Datenbank des Deutschen Wetterdienstes purzelten die Rekorde: wärmster und schneeärmster Februar, frühester Vegetationsbeginn, zahlreiche Wetterstationen ohne Frost. Was folgte, war ein weiterer historischer Temperaturmittelwert im März mit 7,5 Grad. Nicht rekordzerschmetternd wie der Vorgängermonat, mit drei zehntel Grad allerdings klar über dem langjährigen Mittel. Was sind die Gründe für den extremen Temperatursprung, den Klimaforscher nun seit etwa einem Jahr beobachten?

Letztlich sei der Klimawandel allein verantwortlich für die Extrawärme, sagt Karsten Haustein. Zwar helfe das Wetterphänomen El Niño, das weiterhin im Pazifik vorherrscht, dabei, die Luft auch in unseren Breiten zu erwärmen. Im Vergleich zur menschengemachten Erwärmung sei der Effekt jedoch minimal. Auch der rekordwarme Nordatlantik komme weder durch El Niño noch durch magische Ozeankräfte zu Stande, sagt Haustein, sondern lasse sich durch anomal schwache Winde insbesondere in der Passatzone östlich von Nordafrika erklären. Seit dem vergangenen Frühjahr sind die Winde dort schwächer als sonst, wodurch sich das oberflächennahe Wasser deutlich stärker als normal aufheizen konnte. Die Folge: West- und Mitteleuropa liegen seither recht häufig auf der Vorderseite des steuernden mächtigen Tiefdruckgebiets über dem Atlantik; warme Meeresluft wird permanent auf den Kontinent geschaufelt. Größter Treiber der ungewöhnlichen Wärme im Nordatlantik ist hier ebenfalls die vom Menschen verursache Erderwärmung: Ohne den Klimawandel wäre der Nordatlantik auch in der gegenwärtigen Windsituation nicht so warm geworden wie derzeit, sagt Haustein.

Was diese Anomalie für den weiteren Verlauf des Frühjahrs und Sommers bedeutet, lässt sich derzeit nicht sagen. Allerdings sollte man eher von einer Fortsetzung der ungewöhnlichen Wärme ausgehen als von einer nachhaltigen Abkühlung. Im Hochsommer wäre eine solche Wetterlage prädestiniert für extreme Hitze. Schon länger rechnen Klimaforscher damit, dass Mitteleuropa ein Sommerschock mit Temperaturen von 40 Grad und mehr bevorsteht – bislang bloß eine Frage der Zeit.

Mit weiteren Hitzespuks ist in diesem April vorerst jedoch nicht zu rechnen. In der nächsten Woche endet die Zufuhr extremer Warmluft aus Nordafrika voraussichtlich; zum Abschied könnte dann die erste knackige Gewitterlage anstehen. Wann und wie heftig sie ausfallen wird, ist unklar. Zum nächsten Wochenende, darauf lassen die Modelle schließen, strömt erneut warme Luft nach Mitteleuropa, aber zumindest soll sie nicht mehr rekordverdächtig heiß sein. Der April macht eben, was er will.

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