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Römisches Reich: Klimaveränderungen lösten drei antike Pandemien aus

Drei große Seuchen suchten das Römische Reich heim – jede von ihnen nach einem Klimawandel. Das zeigen hoch aufgelöste Klimadaten. Doch gibt es wirklich einen Zusammenhang?
Hinter dem Kolosseum in Rom geht die Sonne auf.
Das Amphitheatrum Flavium, fertig gestellt im Jahr 80, entstand auf dem Höhepunkt der römischen Macht – am Ende einer jahrhundertelangen Warmperiode.

Im Römischen Reich hingen Klima und Pandemien eng zusammen: Die drei größten Seuchenzüge der Kaiserzeit fielen präzise auf Phasen deutlicher Abkühlung. Das geht aus hoch aufgelösten Klimadaten in Meeressedimenten aus dem Golf von Tarent hervor, die ein Team um Karin Zonneveld vom MARUM, dem Zentrum für Marine Umweltwissenschaften in Bremen, ausgewertet hat. Wie die Arbeitsgruppe jetzt in der Fachzeitschrift »Science Advances« berichtet, zeigen die auf drei Jahre genauen Klimadaten einen bisher oft nur vermuteten, engen zeitlichen Zusammenhang zwischen den Pandemien und verändertem Wetter. Demnach wurde die Region direkt vor den Pandemien der Antoninischen Pest, der Cyprianischen Pest und der Justinianischen Pest jeweils deutlich kühler und trockener. Wie die scharfe Abkühlung allerdings mit den antiken Pandemien zusammenhing, ist noch unklar.

Das Römische Reich existierte mehrere Jahrhunderte – lang genug, um seine eigene bewegte Klimageschichte zu haben. Gleichzeitig existieren aus einem Gutteil dieses Zeitraums bis heute detaillierte historische Aufzeichnungen – die Versuchung ist groß, Parallelen zwischen Klima und Geschichte aufzuspüren, womöglich sogar klimatische Ursachen berühmter Ereignisse. So fielen gleich drei der frühesten weithin bestätigten Pandemien der Menschheitsgeschichte in die Zeit des Römischen Kaiserreichs: die Antoninische Pest von etwa 165 bis 180, die Cyprianische Pest von 251 bis 266 und die Justinianische Pest ab 541, die bis in die Mitte des 8. Jahrhunderts immer wieder aufflackerte.

Dafür allerdings waren die Klimadaten aus dem Kernland des Imperiums bisher nicht genau genug. Sie zeigten zwar das Römische Klimaoptimum um die Zeitenwende, das wahrscheinlich ganz erheblich zum Aufstieg Roms beitrug, und die spätantike Kleine Eiszeit im 6. Jahrhundert, doch die kürzeren, Jahrzehnte umfassenden Schwankungen dazwischen nicht. Die neuen Daten von Zonnevelds Team decken nun den Zeitraum von 200 v.Chr. bis 600 n.Chr. ab – vom Ende des Zweiten Punischen Krieges bis kurz vor Beginn der islamischen Eroberungen. Außerdem liefern sie Informationen über Niederschlag und Temperatur mit einer Auflösung von nur drei Jahren. Der Schlamm vom Boden des Mittelmeers enthält Zysten von einzelligen Dinoflagellaten. Deren genaue Arten verraten, wie warm der Spätsommer im untersuchten Zeitraum war, und wie viel Wasser aus Flüssen in die Adria gelangte.

Anhand dieser Informationen über Temperatur und Niederschläge im römischen Kernland unterscheidet die Arbeitsgruppe vier Phasen in der Klimageschichte des Römischen Reiches. Demnach begann nach dem römischen Klimaoptimum, das seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. warmes, stabiles Klima gebracht hatte, ab etwa dem Jahr 100 eine Phase der Abkühlung, auf die ab 215 ein sehr stark schwankendes Klima mit ausgeprägt kalten und trockenen Episoden folgte. Um 540 schließlich begann dann die spätantike Kleine Eiszeit, eine drastische Kälteperiode. Insbesondere zeigten die Daten, dass die drei großen Pandemien der römischen Antike eng mit ausgeprägten Klimaveränderungen verbunden seien, schreibt das Team.

Alle drei Krankheitsausbrüche fallen demnach mit einer deutlichen Abkühlung zusammen. Die ersten beiden Seuchenzüge fallen auf ausgeprägte, aber relativ kurze Kältepulse, die Justinianische Pest im 6. Jahrhundert dagegen setzt mit dem Beginn der Kleinen Eiszeit ein, die rund 100 Jahre dauern sollte. Unklar ist allerdings, ob es tatsächlich eine Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen Klima und Pandemien gibt. Dass es sich bei dem Befund um reinen Zufall handelt, erscheint angesichts der Daten zwar unwahrscheinlich. Wie aber kühleres und trockeneres Klima einen Krankheitserreger zum pandemischen Keim macht – und wärmeres Klima umgekehrt Erreger stoppt –, ist völlig unbekannt. Die Arbeitsgruppe um Zonneveld spekuliert, Klimastress könne soziale oder biologische Faktoren beeinflusst haben, die Krankheitsausbrüche ausgelöst oder verstärkt haben könnten. Die Zusammenhänge seien aber »außerordentlich komplex«, heißt es in der Veröffentlichung.

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