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News: Licht schafft Ordnung

Unter Lichteinwirkung lassen sich bestimmte Materialien von einem ungeordneten in einen geordneten Zustand überführen. Das jedoch nachzuweisen, ist eine äußerst komplizierte Angelegenheit.
Zeitaufgelösten Röntgenstrukturanalyse
Magnetismus ist ein Phänomen, das auf der inneren Ordnung fester Materie beruht. Ein ungeordneter Festkörper aus Eisen ist nicht magnetisch, ein geordneter sehr wohl. Deshalb besteht schon seit langem in vielen Anwendungsbereichen des Magnetismus großes Interesse an Mechanismen, ein Material reversibel zwischen dem ungeordneten und dem geordneten Zustand hin- und herschalten zu können.

In jüngster Zeit versuchten Wissenschaftler, diese Magnetisierung und Demagnetisierung von Materie durch Bestrahlung mit Licht zu steuern. Denn schließlich sind Lichtteilchen das schnellste Transportmedium überhaupt. Und wie sich zeigte, gelingt es tatsächlich, unter geeigneten Bedingungen Materie durch Bestrahlung mit Photonen in einen vorübergehenden geordneten Zustand zu überführen. Dieser Zustand stellt sich innerhalb von nur einer Pikosekunde ein und "lebt" eine Mikrosekunde, um sich dann allerdings wieder in den ungeordneten Anfangszustand zurück zu wandeln.

Obwohl dieser Effekt seit einiger Zeit bekannt ist und erforscht wird, fehlte bisher ein eindeutiger, direkter Beweis. Denn die Stärke dieser Methode ist auch zugleich ihre Schwäche: Da die Ordnungsphänomene von flüchtiger Natur sind, brauchen Forscher nicht nur extrem schnelle optische Methoden, um diese Ordnungen in fester Materie herzustellen, sondern auch mindestens genauso schnelle Methoden, um diese zu charakterisieren. Lichtpulse optischer Laser haben zwar die zeitlichen Eigenschaften, liefern aber durch die Art ihres Signals nur indirekte Hinweise und keine direkten Beweise für die vorübergehende Ordnung. Denn mit sichtbarem Licht lässt sich nur die Energie von Materie, nicht aber die Position von Molekülen oder Atomen im Inneren bestimmen.

Um den strukturellen Übergang direkt zu beweisen und die Positionen der Moleküle in der vorübergehend geordneten Form zu bestimmen, haben sich Physiker mittlerweile eine neuartige Methode – die zeitaufgelöste Röntgenstrukturanalyse – zu Nutze gemacht. Denn mit Hilfe von Röntgenstreuung lässt sich die Struktur von Materie und somit auch Ordnung und Unordnung direkt erfassen. Wurde Röntgenlicht in der Vergangenheit lediglich für statische Messungen herangezogen, ist es nunmehr möglich, wie in einem Film viele schnell aufeinander folgende Schnappschüsse von der Struktur zu machen und Änderungen in Echtzeit zu verfolgen.

Allerdings ist diese Technik sehr anspruchsvoll, und es bedarf großer Forschungsanlagen wie die European Synchrotron Radiation Facilty in Grenoble zur Durchführung. Nur dort ist die Zeitauflösung der Röntgenpulse so kurz und die Intensität der Röntgenphotonen so groß, dass sich die vorübergehenden Ordnungsphänomene überhaupt sichtbar machen lassen.

Ein ganz besonderes Stück Materie haben nun Eric Collet vom Centre National de la Recherche Scientifique und seine Kollegen mittels zeitaufgelöster Röntgenstrukturanalyse untersucht: Denn Tetrathiofulvalen-p-Chloranil gilt als Modellsubstanz für einen so genannten eindimensionalen Elektronenleiter – ein Material, dessen Abmessungen in zwei Raumrichtungen so gering ist, dass elektrische Leitfähigkeit von quantenmechanischen Effekten bestimmt wird.

So konnten die Wissenschaftler beobachten, wie ein solcher Kristall – durch Anregung mit einem 300 Femtosekunden-Laserpuls – innerhalb von Pikosekunden von einer neutralen in eine ionische, ferroelektrische Phase überging und in diesem Zustand einige Mikrosekunden verweilte. Ferroelektrizität ist das elektrische Pendant zum Magnetismus, wie er an Eisen zu beobachten ist, und hängt ebenso von der Ordnung der Materie ab. Wie die Forscher um Collet herausfanden, vollzieht sich die Umwandlung hochgradig selbstorganisiert im gesamten Festkörper. Damit gelang den Wissenschaftlern erstmals der direkte Beweis für eine lichtinduzierte vorübergehende Ordnung in fester Materie. Der Effekt ist unter anderem von großem Interesse für die Optoelektronik und Photonik und ließe sich dort zur Datenspeicherung oder -übertragung nutzen.

Neben der wissenschaftlichen Erkenntnis unterstreicht der Erfolg der Arbeit aber auch die Bedeutung von modernen und leistungsstarken physikalischen Methoden und Apparaturen, wie neue Synchrotronstrahlungsquellen, für die Materialforschung und Nanotechnologie. Denn der Aufwand, mit dem sich bei extrem kleinen Dimensionen äußerst schnelle Prozesse beobachten lassen, ist nun mal sehr groß.

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