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Zirkadianer Rhythmus: Pandas im Zoo können unter Jetlag leiden

Abgeschlagenheit, Antriebs- und Lustlosigkeit: Diese typischen Jetlag-Symptome zeigen Pandas, wenn sie in Zoos außerhalb ihrer natürlichen Breitengrade leben.
Ein junger Pandabär sitzt allein in einem Baum
Nicht nur das Leben in Gefangenschaft beeinflusst das Verhalten von Tieren, sondern auch die klimatischen Bedingungen. In hohen Breitengraden zeigen sich Pandas träge.

Eine Fernreise kann oftmals sehr anstrengend sein: In einer anderen Zeit- und Klimazone fühlt man sich die ersten Tage häufig schlapp und antriebslos. Grund dafür ist der zirkadiane Rhythmus, der außer Takt gerät. Meist passen sich Menschen aber recht schnell an die neue Umgebung an, so dass die unangenehmen Symptome wieder verschwinden. Doch was, wenn man dauerhaft außerhalb seines natürlichen Rhythmus lebt? So ergeht es etwa einigen Tieren in Zoos, die sich nicht in ihrem natürlichen Lebensraum und deshalb in völlig anderen Breitengraden befinden. Wie dieser Umstand das Verhalten der Tiere beeinflussen kann, hat ein Team um die Psychologin Kristine M. Gandia von der University of Stirling in Großbritannien in verschiedenen Tierparks untersucht. Wie die Fachleute herausfanden, zeigen einige Pandas typische Jetlag-Symptome.

»Tiere, einschließlich der Menschen, haben Rhythmen entwickelt, um ihre innere Uhr auf ihre Umgebung anzupassen«, sagt Gandia. »Wenn die inneren Uhren nicht mit äußeren Signalen wie Licht und Temperatur synchronisiert sind, kann das negative Auswirkungen haben.« So fanden Psychologinnen und Psychologen 2013 beispielsweise heraus, dass Schichtarbeit den hormonellen Zyklus von Frauen beeinflusst und sich negativ auf die Fortpflanzung auswirken kann. Dieser Umstand macht es so wichtig, mögliche Folgen von veränderten Lebensumständen von Zootieren zu kennen. So paaren sich in Gefangenschaft lebende Tiere nur selten, etwa die gefährdeten Großen Pandas. In der Wildnis leben bloß noch etwa 2000 dieser Bären, weshalb sich Tierpflegerinnen und Tierpfleger um die Fortpflanzung von Pandas bemühen, um die Art zu erhalten.

Selbst wenn Zoos versuchen, die natürlichen Lebensräume nachzuahmen, sind die meisten Tiere völlig anderen Umständen ausgesetzt als in Freiheit: Sie leben auf einem begrenzten Raum, die Fütterungen hängen von den Arbeitszeiten des Personals ab, zudem besitzen viele Zoos Innen- und Außengehege, wodurch die Tiere teilweise anderen klimatischen Verhältnissen ausgesetzt sind. »Die Tages- und Jahreszyklen des Verhaltens von in Gefangenschaft lebenden Arten zu verstehen, kann dazu beitragen, einen Überblick über ihre Bedürfnisse zu gewinnen und so das Zoopersonal über Maßnahmen zu informieren, die zur Förderung eines positiven Wohlbefindens ergriffen werden müssen«, schreibt das Team um Gandia in seiner Veröffentlichung, die im September 2023 im Fachjournal »Frontiers in Psychology« erschienen ist. Auch wenn der Einfluss von Fütterungs- und Besuchszeiten in Zoos schon häufig untersucht wurde, sind die Effekte von klimatischen Bedingungen wie Temperaturen und Tageslicht bisher noch recht unbekannt, betont die Fachgruppe.

»In Gefangenschaft ist der Aktivitätsrhythmus der Tiere während des Tags, der Nacht und der Jahreszeiten weitgehend unbekannt«Kristine M. Gandia, Psychologin

Große Pandas eignen sich in diesem Zusammenhang gut als Studienobjekte, weil das natürliche Verhalten der Tiere stark saisonal geprägt ist: Im Frühjahr begeben sich Pandas auf Wanderung, um die begehrten frischen Bambustriebe zu fressen. In diese Periode fällt auch die Brunstzeit der Weibchen, die bloß ein bis drei Tage lang andauert. Im Juni sind die Tiere am aktivsten, bevor sie sich im Sommer und Herbst an einem festen Ort niederlassen und weniger herumwandern. »In Gefangenschaft ist der Aktivitätsrhythmus der Tiere während des Tags, der Nacht und der Jahreszeiten weitgehend unbekannt, da die Pflege der Tiere auf den Arbeitstag beschränkt ist und die jahreszeitlichen Veränderungen der Aktivität nicht genau beobachtet werden«, schreibt das Forschungsteam um Gandia. Weil Pandas bei Menschen sehr beliebt sind, haben viele Zoos Webcams angebracht, über die man die Tiere jederzeit beobachten kann.

Dank dieser Kameras haben die Kolleginnen und Kollegen von Gandia das Verhalten von insgesamt elf Pandas (sechs Weibchen und fünf Männchen) ein Jahr lang in fünf Zoos auf der ganzen Welt untersucht. Zwei der Zoos befinden sich innerhalb der natürlichen Breitengrade (26 bis 42 Grad Nord) der Tiere, während die drei anderen in Gebieten näher an den Polen gelegen sind. In den Zoos, die nicht mit den natürlichen Breitengraden zusammenfallen, schwankt das Tageslicht über das Jahr viel stärker und es herrschen niedrigere Temperaturen. Die Forscher und Forscherinnen haben untersucht, wie aktiv die Tiere im Zeitraum eines Jahres waren, welches Sexualverhalten sie an den Tag legten und ob es zu abnormalen Verhaltensweisen kam, etwa Selbstverletzung oder Erbrechen.

Falsche klimatische Bedingungen machen Pandas träge

Wie die Gruppe um Gandia herausfand, beeinflussen die Temperatur und das Tageslicht das Verhalten der Tiere maßgeblich. Bei Zoos, die sich in ähnlichen Breitengraden wie die natürlichen Lebensräume der Tiere befinden, wiesen die Tiere einen ähnlichen Rhythmus auf wie solche, die in der Wildnis leben: Die Pandas hatten beispielsweise wie in der Natur täglich etwa drei Zeitpunkte, an denen sie besonders aktiv waren. In Breitengraden, die nicht mit den natürlichen übereinstimmen, waren die Tiere träge. Dabei ließ sich beobachten, dass die Abweichungen vom normalen Verhalten umso stärker waren, je deutlicher die klimatischen Unterschiede waren. Aber auch zoospezifische Faktoren, wie die Besucherströme oder Fütterungszeiten, beeinflussten die Tiere. So waren sie etwa kurz vor der gewohnten Fütterungszeit besonders aktiv.

Damit haben die Forscherinnen und Forscher erste Hinweise auf den Einfluss klimatischer Faktoren auf Große Pandas in Zoos gezeigt. »Um diese Forschung zu erweitern, würden wir künftig gerne auch physiologische Indikatoren mit einbeziehen«, so Gandia. »Vor allem möchten wir die Sexualhormone bewerten, um zu verstehen, welche Auswirkungen die Umwelt haben kann. Das könnte uns helfen, besser zu verstehen, wie man die erfolgreiche Fortpflanzung einer gefährdeten Art fördern kann.«

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