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News: Position der Rotationsachse der Erde beeinflußt Meeresspiegel

Die Kenntnis über langfristige Meeresspiegelschwankungen hilft, die chemische und klimatologische Entwicklung der Erde zu rekonstruieren. Bislang vermutete man, daß vor allem Änderungen im globalen Wasserhaushalt sowie Gebirgsbildung in Verbindung mit Plattentektonik für die Variabilität der Meeresspiegellage verantwortlich sind. Neue Berechnungen lassen jetzt vermuten, daß die langfristigen Bewegungen der Rotationsachse der Erde die Meeresspiegellage maßgeblich mitbeeinflußt haben.
Der Physiker Jerry Mitrovica und sein Doktorant Jon Mound von der Universität Toronto nutzen numerische Simulationen, die aufzeigen sollen, wie die langfristig in ihrer Orientierung variierende Rotationsachse der Erde die Meeresspiegellage um über 100 m verändern kann (Science am 23. Januar 1998).

„Wir müssen unter Umständen die langfristigen Meeresspiegelschwankungen völlig neu interpretieren“, sagt Mitrovica. „Das Ausmaß der mit den Positionsänderungen der Rotationsachse assoziierten Entwicklungen beim Meeresspiegel ist groß genug, um entscheidend zu den beobachteten Veränderungen des Meeresspiegels beizutragen.“

Ein besonders dramatisches Beispiel sind die weltweiten Meeresspiegelschwankungen, die während der letzten 140 Millionen Jahre auftraten. Geophysiker vermuteten lange Zeit, daß diese weltweiten Meeresspiegelschwankungen ihre Ursache vor allem in der Orogenese im Zusammenhang mit der Plattentektonik hätten. Orogenese und Sea-floor Spreading können beide die Flächen der Ozeane und damit die Höhe des Meeresspiegels verändern. Eine Vergrößerung der Ozeanfläche um nur ein Prozent bedeutet eine Absenkung des Meeresspiegels um 40 Meter. Die Ausweitung der Ozeanbecken seit dem letzten hohen Interglazial-Meeresspiegel vor ca. 120 000 Jahren hat den Meeresspiegel weltweit um ganze acht Meter abgesenkt, so schätzt man.

Laut Mitrovica wurde die Wirkung von Postionsänderungen der Rotationsachse auf sich langfristig verändernde Meeresspiegel vorher nie untersucht. „Wir können im wesentlichen das Ausmaß und die Zeitabläufe der veränderten Meeresspiegel in den letzten 140 Millionen Jahren in Zusammenhang bringen. Wir müssen nur unser Wissen über die Geschichte der Rotation des Planeten nutzen“, sagt er. „Der Prozeß muß nicht zwingend mit dem sich verändernden Relief des Ozeangrundes zu tun haben.“

Jon Mound zufolge steigt und fällt derMeeresspiegel keineswegs weltweit einheitlich. „Man hatte angenommen, daß man Diagramme des Meeresspiegels global anwenden kann; nach unseren numerischen Berechnungen sind sie in Wirklichkeit regional“, erläutert Mound. „Während die Meeresspiegel steigen und Nordamerika teilweise überfluten, können sie in Südamerika sinken.“

Mitrovica sagt hierzu: „Jons Berechnungen zeigen uns, daß die klassische Interpretation der sich verändernden Meeresspiegel überarbeitet werden muß. Früher wurden sie auf variierende Raten der Ozeanausbreitung zurückgeführt, und diese sind notwendig, um Modelle für die chemische Erdevolution der Ozeane, der Atmosphäre und letztlich des Klimas zu entwickeln. Ein Glied in dieser logischen Kette wurde allerdings bislang stark vernachlässigt.“

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