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Rydberg-Konstante: Eine fundamentale Größe der Physik erhält ein Update

Die wahre Größe des Protons bereitet Forschenden seit einiger Zeit Kopfzerbrechen. Verschiedene Experimente kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Eine präzisere Bestimmung der Rydberg-Konstante soll nun dabei helfen, den wahren Wert zu ermitteln.
Illustration eines Wasserstoffatoms
Jeder Atomkern besteht aus mindestens einem Proton. Das macht das Teilchen zu einem der häufigsten Objekte im Universum. Und doch sind noch etliche Fragen ungelöst.

Das Proton ist eines der gewöhnlichsten Teilchen im Universum. In jedem Atomkern sitzt mindestens eines davon. Und doch sorgt es für reichlich Ärger. So herrscht etwa Uneinigkeit darüber, wie groß das Proton wirklich ist – wenn Fachleute nachmessen, erhalten sie je nach Methode sehr unterschiedliche Ergebnisse. Dieser unerfreuliche Zustand beschäftigt die Fachwelt seit dem Jahr 2010, als eine Gruppe vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching »das Proton schrumpfen ließ« (wie es in der zugehörigen redaktionellen Zusammenfassung in »Nature« hieß) – und zwar um ganze fünf Prozent von 0,887 Femtometer auf nur noch 0,842 Femtometer. Seither hat fast jede Forschungsgruppe ihren eigenen Protonenradius, und niemand weiß, warum.

Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe möglicher Erklärungen für diesen Umstand: unbekannte Strukturen im Proton selbst, mysteriöse neue Teilchen oder eine bisher unbekannte Fehlerquelle. Verschlimmert wird das Problem außerdem durch hinreichend bekannte, aber dadurch nicht weniger lästige Unsicherheiten. Zum Beispiel lässt sich die Größe des Protons aus der Wellenlänge der Strahlung berechnen, die die Elektronen eines Wasserstoffatoms absorbieren, wenn sie in ein höheres Energieniveau wechseln. Unglücklicherweise muss man dazu die Größe des Protons sehr genau kennen.

Genau dieses Henne-Ei-Problem hat nun ein Team um Simon Scheidegger und Frédéric Merkt von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich elegant umgangen. Die Forschenden maßen die Differenz zwischen zwei speziellen Energiezuständen im Wasserstoffatom. Dieses besteht lediglich aus einem Proton und einem Elektron. Der Trick bei dem Verfahren, das sie jetzt im Fachmagazin »Physical Review Letters« vorstellen, ist, dass einer der gewählten Zustände völlig unabhängig ist von der Größe des Protons. Dadurch konnte das Team über nur noch eine weitere Zusatzannahme einen Messwert erhalten, aus dem sich die Größe des Protons berechnen lässt.

Dazu brachten Scheidegger und Merkt das Elektron in den so genannten Rydberg-Zustand. In diesem angeregten Zustand ist das Elektron sehr weit vom Atomkern entfernt und einigermaßen instabil. Indem sie das Atom mit elektrischen Feldern kontrollierten, konnten die Autoren die Stabilität des Elektrons erhöhen und die Energie, die das Elektron bei diesem Sprung absorbiert, genau messen. Die Energie, die benötigt wird, um das Elektron vollständig aus der Hülle zu entfernen, wird auch als Ionisierungsenergie bezeichnet und ist über die Rydberg-Konstante mit dem Protonenradius verknüpft.

Der gewählte Startpunkt des Elektrons auf dem so genannten 2S-Energieniveau nahe dem Kern ist allerdings sehr wohl von der Größe des Protons abhängig. Um diesen Einfluss zu eliminieren, verwendeten Scheidegger und Merkt den Wert des so genannten Lamb-Verschiebungsübergangs, der vom Energieniveau 2S auf das Energieniveau 2P1/2 erfolgt und von einer Gruppe in Kanada im Jahr 2019 gemessen wurde. Indem sie diesen Wert zu ihrer Messung hinzuaddierten, bestimmten sie effektiv den Übergang vom 2P1/2-Zustand zum hochangeregten Rydberg-Zustand – und dieser ist unabhängig von der Größe des Protons. Die Forscher erhalten mit ihrer Methode einen Wert für die Rydberg-Konstante von 3 289 841 960 194(40) kHz sowie einen Protonenradius von 0,822 Femtometern.

Nun hängt aber die Zuverlässigkeit der Messung von Scheidegger und Merkt davon ab, wie exakt der Wert für die Lamb-Verschiebung in der Vergangenheit ermittelt wurde. Daraus lässt sich schließen, dass noch einiges zu tun bleibt, bevor der wahre Wert der Rydberg-Konstante und damit die tatsächliche Größe des Protons zweifelsfrei feststehen.

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