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News: Sturz ins Ungewisse

Niemand weiß so richtig, was der Saturnmond Titan hinter seinem Dunstschleier verbirgt: eine Eislandschaft, Kraterseen, Meere gar? Sollte Letzteres zutreffen, dann haben Wissenschaftler immerhin schon das passende ozeanographische Modell parat.
Huygens
Weihnachten steigt die Spannung bei der ESA. Wie im letzten Jahr im Rahmen der Mars-Express-Mission koppelt sich dann eine kleine Landeeinheit von einer Raumsonde ab und bereitet sich für die Landung auf einem Himmelsköper vor. Diesmal ist jedoch nicht der staubige Rote Planet das Ziel, sondern eine bis dato nahezu unbekannte Welt: der Saturnmond Titan.

Mit rund 5150 Kilometern Durchmesser ist der Trabant nach Ganymed der zweitgrößte Mond im Sonnensystem – größer sogar als Merkur. Außerdem ist er der einzige Mond mit einer Atmosphäre, und gerade das macht ihn so geheimnisvoll, denn über die Beschaffenheit seiner Oberfläche gibt es mehr Vermutung als Gewissheit. Immerhin weiß man, dass die dichte Atmosphäre aus etwa 82 Prozent Stickstoff, 11 Prozent Argon, 6 Prozent Methan sowie Spuren von Ethan, Propan, Methylethin, Cyanoethin, Kohlendioxid und -monoxid besteht – zumindest durch den hohen Stickstoffanteil der Erde also gar nicht so unähnlich.

Auch eine andere Gemeinsamkeit mit unserem Blauen Planet vermuten Wissenschaftler. So lieferte der Vorbeiflug von Voyager 1 im Jahre 1980 Hinweise darauf, dass ein Teil der verschleierten Oberfläche von einem Ozean bedeckt ist. Kein Ozean wie wir ihn kennen allerdings, vielmehr soll es sich um ein Meer aus flüssigem Methan und Ethan handeln. Aber auch eine harte eisige Oberfläche des Mondes oder eine Bedeckung durch einen Kohlenwasserstoff-Eis-Matsch ist denkbar. Gewissheit wird wohl erst die Huygens-Sonde der ESA liefern, die derzeit Huckepack an Bord der NASA-Sonde Cassini zum größtem Saturnmond unterwegs ist.

Mit Spannung werden Wissenschaftler die vierstündige Landung des 318 Kilogramm schweren Geräts am 14. Januar 2005 verfolgen. Denn dann wird sich zeigen, was sich wirklich hinter dem Dunstschleier verbirgt. Schwimmen kann Huygens zumindest schon, beste Voraussetzung also für eine nasse Landung.

Wie die Welt auf dem fernen Mond aussehen könnte, das haben nun Wissenschaftler um Nadeem Ghafoor von Surrey Satellite Technology berechnet. Die Forscher sind von einer flüssigen Bedeckung ausgegangen – immerhin liefern auch jüngste Radaruntersuchungen diesen Hinweis – und haben, ausgehend von den Verhältnissen auf der Erde, ein Modell für Ozeanographie des Mondes entwickelt.

Dabei verwendeten sie anstelle der irdischen Parameter die Werte von Titan: Schwerkraft und die Eigenschaften der Flüssigkeiten etwa wurden entsprechend angepasst. Heraus kamen die ersten Voraussagen über Wellenhöhe, Gefälle und Entfernung der Kronen für den Saturnmond. Bis zu siebenmal höher als auf der Erde türmen sich demnach die Wogen auf dem Mond. Doch sie bewegen sich offenbar viel langsamer, und die Kronen liegen entsprechend weit auseinander. Das Wellengefälle auf den Titanmeeren sollte demnach nicht mehr als elf Prozent betragen – Winde von elf Kilometern pro Stunde vorausgesetzt.

So ganz aus der Luft gegriffen scheinen die Ergebnisse von Ghafoor und Co nicht zu sein, denn die Radaruntersuchungen an dem Saturnmond weisen auf ein Wellengefälle von bis zu vier Prozent hin. Bleibt also abzuwarten, ob Huygens tatsächlich sanft auf einem Kohlenwasserstoffmeer geschaukelt wird oder ob die Landung eher härter ausfällt. Wie auch immer, Huygens ist für beide Eventualitäten ausgerüstet. Am Fallschirm hinabsinkend nimmt die Sonde schon im Fallen physikalische und chemische Daten von der Titan-Atmosphäre auf. Schwimmend könnte sie sowohl Zusammensetzung der Flüssigkeit, Frequenz und Höhe von Wellen als auch die Tiefe des Gewässers bestimmen. Dank einer Kamera an Bord könnte es dann auch die ersten Bilder von Titans Oberfläche geben.

"Hoffentlich wird die ESA-Sonde Huygens den Spekulationen ein Ende bereiten", wünscht sich Ghafoor. "Es wird sich dabei nicht nur um die weitest entfernte sanfte Landung in der Geschichte der Raumfahrt handelt, Huygens könnte auch zum ersten extraterrestrischen Boot werden, wenn die Sonde tatsächlich in einem See oder auf dem Meer landet."

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  • Quellen
Royal Astronomical Society, National Astronomy Meeting (29. März bis 2. April 2004)

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