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News: Süßer Duft der Unschuld

Einmal im Jahr geraten indische Elefanten in Wallung. Stinkend wie ein Ziegenstall suchen die aggressiven Bullen dann nach Liebesabenteuern und liefern sich heftige Kämpfe mit Nebenbuhlern. Junge Artgenossen, die gerade die Pubertät hinter sich gebracht, aber das Interesse an der Damenwelt noch nicht entdeckt haben, schützen sich auf betörende Weise vor solchen Übergriffen: Sie haben ihre eigene Duftvariante, die Bienen zum Schwärmen finden.
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Der Frühling naht – und mit ihm die Jahreszeit zum Verlieben, so heißt es. Dem Klischee zufolge bringen die ersten Sonnenstrahlen, Blümchen und zwitschernden Vögel unseren Hormonhaushalt dermaßen durcheinander, dass wir stotternd, errötend und nicht selten begleitet von kleinen Missgeschicken der oder dem Angebeteten unsere tiefe Zuneigung oder ähnliches gestehen. Zu solchen Stelldicheins gehören neben dem obligatorischen Sträuschen auch der betörende Duft eines neuen Parfums oder Rasierwassers.

Indischen Elefanten (Elephas maximus) ergeht es ganz ähnlich. Wenn sie ihren jährlichen Frühlingsgefühlen – der Musth – erliegen, teilen sie dies ihren Artgenossen allerdings auf weniger angenehme Weise mit. Ihre Schläfendrüsen sondern ein übelriechendes Sekret ab, das an eine zusammengepferchte Herde von Ziegenböcken erinnert. Wer etwas davon an die Finger bekommt, trägt den Gestank tagelang mit sich herum, berichtet Bets Rasmussen von der Oregon Health and Science University.

Aber da ist noch ein weiteres Phänomen, das selbst Einzug in die alten Gedichte der Hindus hielt: Junge Bullen, die erste Erfahrungen mit der Musth machen, sondern ebenfalls Sekrete aus ihren Drüsen ab. Diese jedoch düften süß nach Blüten und Honig, weshalb die Tiere zu der Zeit auch heftig umschwärmt werden – doch nicht etwa von verliebten Elefantendamen, sondern von Bienen. Rasmussen und ihre Mitarbeiter nahmen das jugendliche Parfum genauer unter die Lupe und stellten fest, dass es tatsächlich einige Substanzen enthält, die auch in Honig und den Pheromonen von Bienen auftreten. Mit zunehmendem Alter der Tiere gehen deren Konzentrationen jedoch zurück und werden durch faulriechende Verbindungen ersetzt, die auch von manchen Borkenkäfern abgegeben werden.

Doch welchen Sinn hat der betörende Duft, wenn er die Artgenossinnen gar nicht beeindruckt? Offenbar soll er die liebestollen Männchen besänftigen, die ansonsten auf die noch gar nicht ernstzunehmenden Konkurrenten losstürmen würden. Denn als die Wissenschaftler Bullen in Gefangenschaft mit verschiedenen Sekretproben konfrontierten, zeigten die Tiere bei dem Honigaroma verächtliches Desinteresse. Und auch in freier Wildbahn blieben die süßen Jungen unbehelligt, während ein nur wenig älterer und schon zart stinkender Jungbulle von einem alten Herrn in Musth nachdrücklich in die Schranken gewiesen wurde. Umgekehrt machten Jungtiere um dessen unmissverständliche Duftmarke lieber einen weiten Bogen.

Der Einblick in die feinen Duftnuancen des Liebeslebens von indischen Elefanten könnte sogar noch einen ganz praktischen Nutzen haben, meint Rasmussen. Bullen in der Musth sind besonders aggressiv und zerstören häufig Felder ortsansässiger Bauern. Vielleicht helfen entsprechend groß dimensionierte Parfumflakons, das Unheil in Zukunft besser in den Griff zu bekommen.

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