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Extreme Trockenheit: Unerwartet großer Einfluss des Klimawandels auf Amazonas-Dürre

Bisher schrieb man die schwere Dürre am Amazonas vor allem dem Wetterphänomen El Niño zu. Eine vorläufige Studie ergab nun jedoch, dass der Klimawandel der wichtigste Faktor war.
Ein Schiff liegt im trockengefallenen Hafenbecken, im Hintergrund Gebäude.
Ein altes Schiff liegt in einem trockengefallenen Hafenbecken in Manaus auf Grund. Der Wasserstand im Rio Negro fiel während der schweren Dürre um rund vier Meter.

Der Klimawandel war der wichtigste Treiber der verheerenden Dürre im Amazonasbecken – und nicht, wie bisher vermutet, das regelmäßige Wetterphänomen El Niño. Zu diesem Ergebnis kommt eine Arbeitsgruppe um den Klimaforscher Ben Clarke vom Imperial College London anhand von Klimamodellen, die den Beitrag verschiedener Faktoren zu Wetterereignissen aufschlüsseln. Wie das Team in der auf der Website des Imperial College London veröffentlichten Analyse berichtet, machten verringerte Niederschläge und El Niño die Region trockener – die durch hohe Temperaturen verstärkte Verdunstung sei jedoch der entscheidende Faktor für die außerordentliche Dürre gewesen. Die globale Erwärmung habe die Dürre rund 30-fach wahrscheinlicher gemacht. Damit widerspricht die Analyse bisherigen Annahmen, laut denen El Niño eine große Rolle für die Trockenheit spielte.

Dass die Amazonasregion 2023 trockener sein würde als im Durchschnitt, war wegen der El-Niño-Bedingungen im tropischen Pazifik erwartet worden. Dieses zyklische Wetterphänomen verringert die Regenfälle im Amazonasbecken und sorgt für höhere Temperaturen. Doch das ist derzeit eher mäßig ausgeprägt – und wesentlich schwächer als in den Jahren 1998 und 2016, als El Niño weltweit für Temperaturrekorde und am Amazonas für ausgeprägte Trockenheit sorgte. Das extreme Ausmaß der Dürre von 2023 überraschte deswegen auch Fachleute. Selbst die Pegel großer Flüsse wie des Rio Negro fielen auf zuvor nie gesehene Tiefstände, hydroelektrische Kraftwerke lieferten keinen Strom mehr, in vielen Regionen vertrocknete die Vegetation. Extrem hohe Wassertemperaturen töteten vermutlich rund 150 bedrohte Flussdelfine im Tefé-See.

Das Team um Clarke verwendete ein in der Forschung übliches Verfahren, um mit Hilfe von Computersimulationen die Wahrscheinlichkeit einer solchen Dürre im gegenwärtigen Klima zu errechnen und mit einer hypothetischen Welt ohne Klimawandel zu vergleichen. Zusätzlich verglich die Arbeitsgruppe Modelle mit und ohne El-Niño-Bedingungen. Für die Dürre spielen zwei Faktoren eine Rolle. Einerseits ausbleibende Niederschläge, was man als meteorologische Dürre bezeichnet: In einigen Regionen des Amazonasbeckens hatte es so wenig geregnet wie seit 1980 nicht mehr. Hinzu kam aber auch, dass sehr viel Wasser verdunstete. Diese Kombination von fehlendem Regen und hoher Verdunstung bezeichnet man als landwirtschaftliche Dürre, weil der Boden dabei Wasser verliert und deswegen Nutzpflanzen nicht mehr wachsen können. Eine solche Dürre ist potenziell viel verheerender als ausbleibende Niederschläge allein.

Die Arbeitsgruppe untersuchte deswegen einerseits, wie sich Klima und El Niño auf die Niederschläge auswirkten, und andererseits, wie sich die Verdunstung durch die höheren Temperaturen verändert hatte. Dabei zeigte sich nach Angaben des Teams, dass der Klimawandel Regenmangel in dem 2023 gesehenen Ausmaß etwa zehnmal so wahrscheinlich gemacht hat. Die verringerten Niederschläge gingen etwa zu gleichen Teilen auf den Klimawandel und auf El Niño zurück. Anders ist das Bild dagegen bei der Verdunstung – rechne man die mit ein, sei die Dürre um den Faktor 30 wahrscheinlicher geworden. Diese Komponente der Trockenheit sei deswegen primär dem Klimawandel zuzurechnen.

Allerdings sind die extrem trockenen Bedingungen im Amazonas selbst für das heutige Klima sehr ungewöhnlich – so wenig Regen wie 2023 würde man zum Beispiel laut der Analyse nur einmal in 100 Jahren erwarten. Darum müssen noch mehrere andere Faktoren zur aktuellen Situation beigetragen haben. Eine Rolle spielt wohl der Waldverlust in der Region. Große Waldgebiete wie die Amazonasregion erzeugen einen Teil ihrer Niederschläge selbst, während Agrar- oder Weideland das nicht leisten. Ein weiterer Beitrag kommt vermutlich von den hohen Meerestemperaturen, speziell im Nordatlantik. Die heizten die Atmosphäre auf, was zur stärkeren Verdunstung beiträgt. Zudem verlagerten sie die Niederschläge in der Regenzeit nach Norden, weg vom Amazonasbecken. Bisher ist völlig unklar, wann die Wassertemperaturen wieder zurückgehen – oder ob deutlich wärmere Ozeane jetzt der neue Normalzustand sind. Das wäre eine schlechte Nachricht für den Regenwald.

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