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Weinbau: Wenn der Bordeaux versiegt

Dürren, Hitze und verschobene Wachstumszyklen bedrohen traditionelle Weinbaugebiete. Auswege gibt es, doch das größte Risiko bleibt der Weintrinker.
Rotwein läuft aus einem umgefallenen Weinglas.
Manche Weinsorte wird es künftig so nicht mehr geben.

Mehr als die Hälfte der weltweiten Weinanbaugebiete könnten unbrauchbar werden, wenn die durchschnittlichen Temperaturen um mehr als 2 Grad Celsius steigen. Dazu gehören Gegenden in Spanien, Portugal oder Südkalifornien. Im schlimmsten Fall könnten sogar bis zu 70 Prozent keinen Beitrag mehr zur Versorgung mit Wein leisten, schreibt ein Team von Fachleuten in »Nature Reviews Earth & Environment«. Doch die Experten sehen auch Grund zur Hoffnung: Bis zu einem Viertel bestehender Weinbauregionen könnten durch den Klimawandel produktiver werden und neue Gegenden hinzukommen – etwa in Südengland.

Dass sich der Weinbau – wie alle landwirtschaftlichen Zweige – mit dem Klima verändert, ist zwar keine neue Erkenntnis. Die Fachleute aus Bordeaux, Palermo und Burgund haben aber nun alle wesentlichen Faktoren zusammengetragen, die den sorgsam gezüchteten Trauben auf einem aufgeheizten Planeten zusetzen könnten. Außerdem haben sie in ihre Analyse mit einbezogen, dass die Weingärtner dieser Welt den Auswirkungen des Klimawandels nicht völlig unvorbereitet gegenüberstehen, sondern verschiedenste Maßnahmen treffen, um dem Niedergang ihrer Reben entgegenzuwirken.

Die offensichtlichsten Stressfaktoren sind Hitze und Trockenheit; am härtesten trifft das die Gegenden, für die viele Sonnenstunden bislang ein Aushängeschild für ihre Reben darstellten. Der Zinfandel aus Südkalifornien hat deshalb mit recht hoher Wahrscheinlichkeit keine Zukunft mehr – und wird entweder durch trockenresistente Sorten ersetzt oder gar durch Weine, die bislang in ganz anderen Gegenden wachsen. Höhere Temperaturen verschieben außerdem den Wachstumszyklus der Pflanzen nach vorn, so dass die Trauben früher reif werden, wenn es noch wärmer ist. Im Schnitt ernten Winzerinnen und Winzer ihre Reben heute zwei bis drei Wochen früher im Jahr als vor 40 Jahren.

Mehr Alkohol, weniger Säure

Dadurch haben die Trauben bei der Ernte eine andere Zusammensetzung an Inhaltsstoffen – und das schmeckt man. Statt fruchtig-frischer Aromen dominierten dann solche nach überreifen oder gegarten Früchten, schreibt das Autorenteam. Zudem enthalten Weine von Trauben, die in größerer Hitze gediehen, mehr Alkohol und weniger Säure. Das wiederum steigert das Risiko, dass Mikroorganismen den (möglicherweise) teuren Tropfen verunreinigen.

Weinbauern könnten eine ganze Menge tun, um auch künftig noch hochwertige Ware abfüllen zu können: andere Sorten züchten, die unter den neuen Bedingungen eher gedeihen; durch Kreuzung oder genetische Veränderung den Zeitpunkt der Reife hinauszögern; oder ihre Weinberge anders bewirtschaften. Neue Anbaugebiete in nördlicheren Gefilden könnten Chancen bieten, sofern dabei nicht Flächen für die Produktion nichtalkoholischer Lebensmittel weichen müssen.

All diese Mühen helfen aber nicht, wenn die Weinliebhaber nicht mitziehen, fürchtet das Forschungsteam: Immerhin bürgt die geografische Herkunft eines Weins oft für Qualität, eine Flasche Bordeaux darf in der Regel mehr kosten als der Württembergische Trollinger. Über den Niedergang des Getränks wird laut dem Autorenteam daher hauptsächlich die Frage entscheiden, ob den Sommeliers neue Rebsorten und die Nordwärtsmigration der Anbaugebiete goutieren.

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