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Gesundheit als Erbe unser Vorfahren

"Wissen ist der wirksamste Schutz vor Krankheiten." Davon zeigt sich Detlev Ganten, Präsident des World Health Summit ("Weltgesundheitsgipfels") und Ratsvorsitzender der Stiftung Charité, überzeugt. Gemeinsam mit dem Journalisten Jochen Niehaus hat er das vorliegende Buch verfasst. Das Werk präsentiert sich als Mischung aus Gesundheitsratgeber und biologischem Sachbuch und vermittelt dem Leser ein umfassendes Bild vom menschlichen Körper. Ganten und Niehaus bringen physisches und psychisches Wohlergehen auf eine einfache Formel: Gesundheit sei eine Funktion unserer Biologie, unserer Umwelt und unseres Verhaltens – mathematisch ausgedrückt als G = f(B,U,V).

Die Formel ist keine echte Rechenvorschrift, und sie soll auch keine Präzision vortäuschen, wo keine ist. Vielmehr soll sie daran erinnern, dass Gesundheit von mehreren Faktoren abhängt. Einige können wir beeinflussen, etwa unser Verhalten und – in Grenzen – auch unsere Umwelt. An der "Biologie" allerdings, hier gemeint als genetische Ausstattung, können wir wenig ändern. Sie wurde uns von den Vorfahren mitgegeben und ist das Ergebnis einer unvorstellbar langen Evolution. Als Vertreter der evolutionären Medizin führen Ganten und Niehaus zahlreiche Zivilisationskrankheiten darauf zurück, dass unsere Umwelt sich schneller verändert als unsere Erbanlagen.

Angepasst an Salzmangel

Ein Beispiel hierfür ist der Bluthochdruck. Unsere steinzeitlichen, steppenbewohnenden Vorfahren hatten größere Überlebenschancen, wenn ihr Körper die knappen Ressourcen Wasser und Salz möglichst effektiv resorbieren konnte, um auch bei großen Flüssigkeitsverlusten (etwa durch starkes Schwitzen) wichtige Körperfunktionen wie den Blutdruck aufrecht zu erhalten. Deshalb setzten sich bei ihnen Individuen durch, die über entsprechende Fähigkeiten verfügten. Heute hingegen können wir praktisch beliebig viel Wasser trinken, und unsere Nahrung enthält Salz im Überfluss. In dieser Situation verkehrt sich der frühere Vorteil in einen Nachteil: Dieselben Resorptionsmechanismen, die unseren Vorfahren einen Selektionsvorteil verschafften, bescheren uns nun ein zu großes Blutvolumen und damit Hypertonie. Interessanterweise jedoch schlagen sich die veränderten Lebensbedingungen langsam in veränderten Erbanlagen nieder: Allmählich verbreiten sich Genvarianten, die den Blutdruck bei hoher Salzlast weniger stark ansteigen lassen – ein klassischer Adaptionsmechanismus, wie ihn die Evolutionstheorie vorhersagt. Wir selbst haben darauf keinen Einfluss.

Was wir allerdings ändern können, sind unsere Lebensgewohnheiten. Hier setzen die Gesundheitstipps der Autoren an. Bezogen auf den Bluthochdruck raten sie etwa dazu, auf salzarme Nahrung umzusteigen und Fertigprodukte möglichst zu meiden. Der Vorschlag an sich ist altbekannt – hier jedoch wird er evolutionstheoretisch untermauert und bekommt dadurch mehr Gewicht. Was das Buch auszeichnet, sind auch nicht revolutionär neue Empfehlungen, sondern vielmehr die gelungene Synthese aus Hintergrundinformationen und Ratschlägen. Die Hoffnung der Autoren: Wer ein Gefühl dafür entwickelt, unter welchen Bedingungen unser Körperbauplan evolviert ist und inwiefern die moderne Lebenswelt davon abweicht, dem fällt es leichter, sein Verhalten sinnvoll anzupassen und mehr im Einklang mit der eigenen Biologie zu leben.

Formel zum Wohlbefinden

Die Autoren widmen sich verschiedenen Themenbereichen wie dem Herz-Kreislauf-System, den Knochen und Gelenken, dem Verdauungsapparat und dem Gehirn. In jedem Abschnitt geht es zunächst um die stammesgeschichtliche Herkunft, den Aufbau und die Funktion des jeweiligen Organs, gefolgt von einer Erörterung häufiger gesundheitlicher Probleme und Krankheiten. Sodann zeigen Ganten und Niehaus, was man bei dieser oder jener Störung medizinisch tun kann. Jedes Kapitel schließt mit einer tabellarischen Zusammenfassung des Stoffs, welche die behandelten Sachverhalte den Faktoren der Gesundheitsformel zuordnet. Diese Doppelseiten sind grau hinterlegt, so dass man sie leicht wiederfindet. Es ist nicht erforderlich, das Buch am Stück zu lesen, auch die Lektüre einzelner Kapitel funktioniert sehr gut. Am Ende des Werks findet der Leser eine leere Tabelle, die ihm erlaubt, eigene Vorsätze in eine "persönliche Gesundheitsformel" einzutragen. Wenn Bildung die Gesundheit fördert, dann ist dieses Buch ein hochwirksames Präparat!

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