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Wissenschaft im Alltag: Lautstark rieselt der Schnee

Auf die Bretter kann´s gehen, auch wenn Frau Holle einmal nicht mitspielt.
Dieses Jahr nur aus Schneekanonen?
Der Wintersport erfreut sich seit einigen Jahren wieder zunehmender Beliebtheit, doch die Betreiber von Liften, Hotels und sonstiger Infrastruktur machen sich keine Illusionen: Das Umsatzplus verdanken sie vor allem ergiebigen Schneefällen in den vergangenen Wintern; diese sind jedoch selten geworden.

Auf Grund der globalen Erwärmung gelten schon heute nur noch 85 Prozent der Schweizer Skigebiete als schneesicher, Tendenz fallend. Damit die so wichtigen Wintertouristen nicht ausbleiben, greifen die Betreiber von Liftanlagen Frau Holle energisch unter die Arme und investieren in Schneekanonen. Mittlerweile sind 90 Prozent aller Skigroßräume der Alpen damit ausgerüstet.

In der Natur entsteht die weiße Pracht in Wolken bei Temperaturen von minus zehn Grad und weniger. Dann gefrieren feine Tröpfchen an winzigen Schwebeteilchen, so genannten Kristallisationskeimen, und bilden Eiskristalle, die nicht einmal ein zehntel Millimeter groß sind. Sie verbinden sich und schweben schließlich als Schneeflocken zur Erde.

Schneekanone: Mit Druck zu den Flocken | Beschneiungsanlagen imitieren diesen Vorgang. Dazu zerstäuben sie zunächst Wasser in winzige Tröpfchen und übersättigen so die Luft – es entsteht eine Art Bodenwolke. Die Tröpfchen darin können aber nur dann gefrieren, also Wärme abgeben, wenn ein Teil ihres Wassers verdampft.
Beschneiungsanlagen imitieren diesen Vorgang. Dazu zerstäuben sie zunächst Wasser in winzige Tröpfchen und übersättigen so die Luft – es entsteht eine Art Bodenwolke. Die Tröpfchen darin können aber nur dann gefrieren, also Wärme abgeben, wenn ein Teil ihres Wassers verdampft. Das ist bei hoher Luftfeuchtigkeit schwieriger als bei geringer. Deshalb gelingt die Schneemacherei am besten bei trockener Luft und möglichst tiefen Temperaturen. Schon eine Luftfeuchtigkeit von 30 Prozent erfordert mindestens ein Grad unter null, bei 80 Prozent Feuchte müssen es weniger als minus vier Grad sein.

Die älteste Spielart solcher Schneemacher führt Wasser und Druckluft meist über frostsichere Leitungen unter der Erde zur Kanone. Den Gasdruck von fünf bis zehn Bar erzeugt eine zentrale Kompressorstation, die mehrere Geräte versorgen kann. Inzwischen wurden diese Anlagen weit gehend von den effi zienter arbeitenden Propellerkanonen abgelöst.

Dort zerstäuben in einem Ring angeordnete Düsen das Wasser und eine Turbine bläst die Tröpfchen in die Luft. Das Prinzip der alten Druckluftkanonen hat sich in den "Nukleatordüsen" bewährt, die die erforderlichen Kristallisationskeime beisteuern: Während von einem Kompressor verdichtete Luft hinter einer solchen Düse rasch expandiert, entzieht sie den Wassertröpfchen Wärme und es bilden sich Eispartikel.

Schneeflöckchen kommt in mannigfaltigster Form geschneit | "Schnee, zärtliches Grüßen der Engel, schwebe, sinke – breit alles in Schweigen und Vergessenheit!" schrieb die Dichterin Francisca Stoecklin (1894–1931). Prosaischer sieht es die Wissenschaft: Sechs Wassermoleküle formen über Wasserstoffbrücken einen hexagonalen Ring, Grundlage der Symmetrie. Der Keim lagert sich an ein Partikel an und wächst. Ab zehn Nanometer Durchmesser bilden sich erste Verästelungen.
Wer sich im Skiurlaub neben der rasanten Abfahrt auch nachts ein wenig Ruhe verspricht, sollte aber Abstand von der Piste halten: Eine Propellerkanone ist lauter als ein Lastwagen, Hochdrucksysteme übertönen sogar einen Presslufthammer. Es gibt zwar auch Schneekanonen, die mit verminderter Turbinendrehzahl und dann entsprechend leiser laufen. Doch sie liefern auch weniger Schnee.


Wussten Sie schon?

  • Ende der 1940er Jahre untersuchten kanadische Forscher die Auswirkungen von Reif auf Düsentriebwerke. Dazu sprühten sie bei tiefen Temperaturen Wasser in einen Windkanal. Sie erzeugten dabei aber Schnee. Die Wissenschaftler registrierten ihn nur als negative Begleiterscheinung ihres Versuchsaufbaus. Erst 1950 erfand Wayne Pierce von der US-Firma Tay Manufacturing in Milford, Connecticut, eine Druckluftschneekanone, der Amerikaner Alden Hanson acht Jahre später die Propellerschneekanone.

  • Zusätzliche Kristallisationskeime im Wasser ermöglichen die Beschneiung bei Temperaturen über minus drei Grad. Als besonders effektiv hat sich ein verarbeitetes Bakterium mit dem Namen Snowmax erwiesen; bei sehr trockener Luft arbeiten Schneekanonen dann sogar schon bei 0 Grad effizient. Dabei handelt es sich um das natürlich vorkommende Pseudomonas syringae, das in Tanks gezüchtet, gefriergetrocknet und durch Sterilisation abgetötet wird.

    Durch den Einsatz derartiger Stoffe benötigen die Schneekanonen zwar auch weniger Energie, in vielen Ländern wie Deutschland und Österreich ist ihr Einsatz aber verboten, weil die Langzeitfolgen für die Natur nicht sicher abgeschätzt werden können.

  • Soll der Schnee eher nass oder trocken sein? Pulverschnee ist ideal zum Skifahren, da er nicht am Ski haften bleibt. Als stabile Unterlage einer Piste braucht man aber nassen und grobkörnigen Schnee, weil er nicht so leicht schmilzt oder verschoben wird. Schneekanonen können beide Arten erzeugen, indem das Verhältnis von Wasser- und Luftmenge sowie die Tropfengröße entsprechend eingestellt werden.

  • Eine große Schneekanone bedeckt bei minus 12 Grad Celsius und einer relativen Luftfeuchtigkeit von 60 Prozent in 12 Stunden einen Hektar Piste mit einer 25 Zentimeter hohen Schneeschicht. Dabei verbraucht sie über eine Million Liter Wasser und je nach System, Standort und Wasserbeschaffung 8 bis 10 Megawattstunden Energie, also ungefähr so viel wie zwei 4-Personen-Haushalte im Jahr. Die Investitionskosten pro Hektar belaufen sich auf etwa 140 000 Euro.
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