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Heiße Quellen: Leben wie von einem anderen Planeten

Heiße Quellen bieten Lebensbedingungen wie vor Millionen Jahren. Was verraten ihre Organismen über potenzielles Leben im All?
Heiße Quellen in Nevada

Wo sucht ein Astrobiologe nach Voraussetzungen für außerirdisches Leben? Luke McKay von der Montana State University in Bozeman hat die perfekte Antwort gefunden: In Nevada, genauer gesagt, in den heißen Quellen des ehemaligen Great Boiling Spring Park. In diese eigentlich fast menschenleeren Wüste, bekannt als Black Rock Desert, strömen seit 1990 in jedem Jahr Ende August Zehntausende von Menschen zum Burning Man Festival. Zum Glück für den Wissenschaftler interessieren sich die Menschenmassen nicht für die Quellteiche, die etwas abseits auf einem für die Öffentlichkeit gesperrten Privatgelände liegen.

Das von der Multimediaplattform Motherboard gedrehte Video begleitet den Wissenschaftler dabei, wie er aus den über 70 Grad Celsius heißen Quellen Proben entnimmt. Er sucht dort nach irdischen Einzellern, die sich unter solchen Extrembedingungen besonders wohlfühlen.

Das Leben auf der Erde ist sehr viel anpassungsfähiger und vielfältiger, als man früher angenommen hat. Selbst in der Stratosphäre und mehrere tausend Meter unter der Erde haben Forscher speziell angepasste einzellige Organismen gefunden – und zwar erstaunlich viele von extrem unterschiedlichen Arten.

Zeichnet man die Verwandtschaftsbeziehung zwischen den bisher bekannten Lebewesen als einen Baum mit einem kurzen Stamm und vielfach verzweigten Ästen, dann liegen die großen Reiche der Tiere, Pflanzen und Pilze allesamt auf den Zweigen eines einzelnen Astes. Alle übrigen Bereiche sind von Bakterien und Archaea (Archaebakterien) bewohnt. Nach vielen DNA-Untersuchungen ist inzwischen klar, dass die meisten Arten von Lebewesen für das bloße Auge unsichtbar sind. Sie bestehen nur aus einer einzigen, einfach aufgebauten Zelle. Deshalb ist ihre Erforschung aber nicht weniger spannend, denn sie haben im Lauf von mehr als dreieinhalb Milliarden Jahren Evolution die erstaunlichsten Lebensräume erschlossen.

Heiße Quelle als Fenster zur alternativen Evolution

Warum aber suchen Wissenschaftler ausgerechnet in heißen Quellen nach außergewöhnlichen und bisher unbekannten Organismen? Diese Umgebung bietet ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal: Im Wasser und im Sediment auf dem Grund der heißen Quellteiche findet sich fast kein Sauerstoff, die Umgebung ist anoxisch. Das entspricht den Bedingungen, die auf der Erde bis vor etwa 2,4 Milliarden Jahren herrschten. Durch die Ozeane wimmelten damals viele verschiedene Arten von einzelligen Lebewesen. Cyanobakterien hatten die Fotosynthese erfunden und sich in riesigen Matten über den Grund flacher Meere ausgebreitet. Dann aber trat ein Ereignis ein, das die Paläontologen als »große Sauerstoffkatastrophe« bezeichnen.

Die erwähnten Cyanobakterien erzeugten große Mengen Sauerstoff als Abgas der Fotosynthese. Das für uns lebenswichtige Atemgas war damals für die meisten Lebensformen absolut tödlich. Über mehrere hundert Millionen Jahre wurde das chemisch aggressive Element sofort im Gestein gebunden und konnte kein Unheil anrichten. Aber irgendwann war die Bindungskapazität des Gesteins erschöpft. Der Sauerstoff begann sich in der Atmosphäre und in den Ozeanen anzureichern. Das führte zu einem gewaltigen Massensterben. Einige Arten von Einzellern erfanden Enzyme, um den Sauerstoff unschädlich zu machen oder zur Energiegewinnung zu nutzen, andere starben aus, und wieder andere passten sich an oder versteckten sich. Die Bakterienfamilie der Clostridien verträgt keinen Sauerstoff. Viele ihrer Arten leben im Erdboden oder im menschlichen Darm; wenn es ihnen zu ungemütlich wird, bilden sie resistente Dauerformen aus, die so genannten Endosporen. Tief unter der Erde könnten jedoch vollkommen unbekannte Einzeller verborgen sein. Dort ist es heiß und dunkel, vor allem aber existiert dort kein freier Sauerstoff.

McKay hofft deshalb, dass die anoxischen heißen Quellen Lebewesen an die Oberfläche gespült haben, die in den letzten 2,5 Milliarden Jahren völlig andere evolutionäre Wege gegangen sind als die bisher bekannten Arten. Das sind dann nicht unbedingt Relikte einer untergegangenen Welt. Die Einzeller, die vor so langer Zeit unter die Erde ausgewichen sind, haben sich evolutionär weiterentwickelt, aber möglicherweise in eine ganz unerwartete Richtung.

Nur wenn wir die gesamte Bandbreite des Lebens auf der Erde kennen, können wir gezielt nach Anzeichen für Leben auf anderen Planeten suchen, argumentiert der Wissenschaftler. Aus diesem Grund kann es durchaus sinnvoll sein, die Suche nach außerirdischem Leben im Inneren der Erde zu beginnen.

Luke McKay vermittelt sein Forschungsthema leicht verständlich und mit einer ansteckenden Begeisterung. Das Filmteam von Motherboard unterlegt den spannenden Text mit psychedelisch schön gefilmten Landschaftsaufnahmen.

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