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News: Der zweite Untergang der Vasa?

Sie sollte der Stolz einer aufsteigenden Großmacht werden - doch sie entpuppte sich als größte Blamage. 1628 versank das schwedische Kriegsschiff Vasa im Stockholmer Hafen. Heute ist das geborgene Wrack eine Haupttouristenattraktion Stockholms. Aber schon wieder ist das stolze Schiff bedroht: Schwefelsäure frisst an seinem Gebälk.
Batteriedecks der <i>Vasa</i>
Alles war auf den Beinen. Denn dieses Ereignis wollte sich keiner entgehen lassen. Massenhaft strömten die Stockholmer zu den Ufern ihrer Stadt, Gesandte aus aller Herren Länder mischten sich unter sie. Der 10. August 1628 sollte in die europäische Geschichte eingehen, denn an diesem Tag stach die Vasa, das mächtigste Kriegsschiff, das die Welt bis dahin gesehen hatte, zu ihrer Jungfernfahrt in See.

Das stolze Schiff hisste die Segel, feuerte zu Ehren seines Herrn, König Gustav II. Adolf, Salutschüsse ab – und sank. Der König hatte beim Bau des Schiffs auf ein zweites Batteriedeck bestanden, was sich jetzt als fatale Fehlplanung erwies: Mit seinen 64 Kanonen lag der Schwerpunkt des Schiffes zu hoch, es neigte sich, und durch die geöffneten Kanonenpforten drang ungehemmt Wasser ein. Der Todeskampf der Vasa dauerte nur wenige Minuten. Als sie schließlich kenterte, riss sie fast 50 Menschen mit in die Tiefe des Stockholmer Hafens.

333 Jahre später. Die Vasa erblickt wieder das Tageslicht. Am 24. April 1961 gelang die Bergung unter der Leitung des Wrackforschers Anders Franzén, der die Überreste des Schiffes wenige Jahre zuvor im Hafenschlick entdeckt hatte. Doch das vollgesogene Holz des Wracks wäre an der Luft ohne Rettungsmaßnahmen schnell zerfallen.

Die schwedischen Archäologen probierten damals erstmalig eine Konservierungsmethode aus, die sich später auch bei anderen Schiffsfunden bestens bewährte: Sie besprühten das gesamte Wrack 17 Jahre lang mit Polyethylenglycol, das tief in die Fasern des Holzes eindrang, das Wasser verdrängte und so das gesamte Holz langsam austrocknete. Seit 1990 zieht das Vasa-Museum jährlich 800 000 Touristen nach Stockholm, die hier den Stolz Gustav II. Adolfs bewundern.

Doch im Juli 2000 schlugen die Museumswärter Alarm. Auf der Oberfläche des Holzes entdeckten sie kleine Salzkristalle. Sie vermuteten zunächst, dass die hohe Luftfeuchtigkeit während des ungewöhnlich warmen Sommers und die Atemluft der Besucher dem Schiff zugesetzt hatten. Eine neu installierte Klimaanlage half jedoch nicht weiter, die Salzkristalle wuchsen weiter.

Daraufhin nahm sich Magnus Sandström von der Stockholm University zusammen mit Kollegen des Problems an. Mithilfe der Röntgendiffraktometrie vermaßen die Wissenschaftler das Innerste des Holzes – und entdeckten Calciumsulfat, also Gips. Auch andere Sulfatsalze waren zusammen mit elementarem Schwefel in die Poren des Holzes gedrungen. Als die Wissenschaftler einen pH-Wert von unter 2 maßen, gab es für sie keinen Zweifel mehr: Das Wrack wird langsam durch Schwefelsäure zerfressen.

Woher kommt die Schwefelsäure? Das Schiff hatte 333 Jahre im Stockholmer Hafenschlick gelegen, und dieser Hafen, in dem sich bis 1950 die ungeklärten Abwässer der Metropole ergossen, genoss nicht gerade den Ruf eines sauberen Gewässers. Durch die hohe organische Belastung war der Sauerstoff im Schlamm aufgebraucht, und sulfatreduzierende Bakterien produzierten fleißig jede Menge Schwefelwasserstoff, der wiederum in das Holz der Vasa eindrang.

Wieder an der Luft, oxidierte der Schwefelwasserstoff zu elementarem Schwefel, und das Holz verwandelte sich in eine chemische Zeitbombe. Denn etwa 8500 inzwischen völlig verrostete Eisenbolzen, die das Schiff einst zusammengehalten hatten, erwiesen sich als ein hervorragender Katalysator, um Schwefel mit Sauerstoff zu Schwefelsäure zu oxidieren. Die Wissenschaftler befürchten, dass dadurch mehr als fünf Tonnen Schwefelsäure entstehen könnten, die das Holz chemisch zersetzen und durch Kristallbildung mechanisch zerstören.

Was tun? Eine derartige Menge Säure zu neutralisieren dürfte sich als schwierig erweisen. Die Wissenschaftler wollen daher nach einer Chemikalie suchen, welche die Katalysatorwirkung des Eisens unterbindet. Und die Zeit drängt, denn schließlich sind auch andere gehobene Wracks von der gleichen Gefahr bedroht. Ohne Rettungsmaßnahmen wird die stolze Vasa wohl ein zweites Mal zugrunde gehen.

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