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Lexikon der Biochemie: Kristalline

Kristalline, lösliche Proteine, die fast 90 % des gesamten Linsenproteins bei Vertebraten ausmachen. Linsenzellen werden nicht erneuert, so dass sie die Lebensspanne des Tiers überdauern müssen. Außerdem können sie nicht ersetzt werden, weil die Linsenzellen ihren Kern und andere Organellen verlieren. Vermutlich würden diese Zellbestandteile Diskontinuitäten im Brechungsindex hervorrufen. Die K. müssen daher außergewöhnlich stabil sein und allen schädlichen Einflüssen, die zu Denaturierung oder Aggregation führen könnten, standhalten. Sie müssen außerdem einen engen Löslichkeitsbereich aufweisen, um fließende Änderungen des Brechungsindex sicherzustellen.

Die K. werden in drei Hauptgruppen eingeteilt: α, β und γ. Diese Einteilung erfolgte ursprünglich aufgrund ihrer Präzipitierbarkeit, mittlerweile jedoch entsprechend ihrem Mr-Bereich, wie er mittels Gelfiltration bestimmt wurde.

Die α-K. umfassen zwei Untergruppen, eine mit einem durchschnittlichen Mr von 800 kDa und eine mit viel höherem Wert. Alle α-K. sind oligomer und unterscheiden sich nur im relativen Anteil von vier Untereinheiten: αA1, αA2, αB1 und αB2. Zwei davon, nämlich αA2 und αB2, sind primäre Genprodukte, während αA1 und αB1 aus posttranslatorischer Modifizierung hervorgehen.

β-K. bestehen aus mindestens sieben Genprodukten. Alle β-K. sind Oligomere, die zwischen Dimeren und Aggregaten aus bis zu acht Ketten variieren. Allen gemeinsam ist die Hauptuntereinheit βBp. Bezüglich der anderen Untereinheiten können sie sich jedoch beträchtlich unterscheiden.

Die γ-K. sind alle monomer mit einem Mr von weniger als 28kDa und bestehen aus vier oder fünf Genprodukten. Die Linsen von Reptilien und Vögeln enthalten neben den α-, β- und γ-K. noch tetramere δ-K.

Die K. sind hoch konserviert und haben sich seit dem Auftauchen der Vertebraten-Linsen vor 500 Millionen Jahren relativ langsam entwickelt [W.W. DeJong et al. J. Mol. Evol. 10 (1977) 123-135]. Alle β- und γ-Polypeptide sind in hohem Grad homolog und möglicherweise aus einem Vorläufer-Protein durch Punktmutation, Insertion und Deletion und durch N- und C-Endenerweiterung der β-K. hervorgegangen. Die γ-Proteine enthalten einen ungewöhnlich hohen Anteil an Cystein. Es wird daher angenommen, dass die freien SH-Gruppen dazu dienen, oxidative Quervernetzung in anderen Linsenproteinen zu verhindern.

Die Röntgenstrukturanalyse des γ-II-K. vom Kalb zeigt bei einer Auflösung von 0,6nm ein symmetrisches Molekül mit zwei Lappen, die aus vier ähnlichen Polypeptiddomänen aufgebaut sind, von denen jede 40 Aminosäurereste enthält. Viele Met-, Cys-, Trp-, Tyr- und Phe-Reste liegen nahe beieinander (weniger als 0,65nm), woraus geschlossen wird, dass Wechselwirkungen zwischen den aromatischen Seitenketten, den Arg-Resten, dem polarisierbaren Schwefel des Met-Restes und der SH-Gruppe des Cys bestehen. Dies kann zur Stabilisierung des Proteins durch Delokalisierung von π-Elektronen beitragen und kann auch als Elektronentransportsystem dienen. [H. Bloemendal u. W.W. DeJong Trends in Biochemical Sciences 4 (1979) 137-141; L. Summers et al. Peptide and Protein Reviews 3 (1984) 147-168]

Eine gewisse Sequenzähnlichkeit zwischen Cephalopoden-K. und der Cephalopoden-Glutathion-S-Transferase (GST) weist darauf hin, dass die Gene der Kristalline möglicherweise von denen der Entgiftungsenzyme abstammen können. [S.I. Tomarev et al. J. Biol. Chem. 266 (1991) 24.226-24.231]

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