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News: Kampf der Giganten

Sind sie nicht süß - die niedlichen kleinen Taufliegen? Fröhlich schwirren sie in unserer Küche umher und laben sich an der Frühstücksmarmelade. Harmlosere und friedlichere Wesen als diese possierlichen Tierchen lassen sich kaum vorstellen. Doch weit gefehlt. Videoaufnahmen offenbaren ihren wahren Charakter als zu allem entschlossene Kampfmaschinen. Abgründe tun sich auf...
Der Blick ist starr. Langsam umkreist er seinen Gegner. Plötzlich greift er an, stürzt sich mit voller Kraft auf sein Gegenüber und holt mit seiner oberen Linken zu einem kräftigen Haken aus. Überwältigt von der Energie des Angreifers geht das Opfer zu Boden, rappelt sich jedoch schnell wieder auf, stößt mit seiner mittleren Rechten zu, während er gleichzeitig mit beiden Vorderbeinen wie wild auf den Kopf des Angreifers einschlägt. Die beiden Kombattanten verhaken sich ineinander, drehen sich wild umeinander, wälzen sich schließlich aufeinander auf den Boden, wobei sie alle sechs Beine sowie ihre Flügel als Waffe einsetzen. Schließlich drängt der Angreifer seinen Kontrahenten an den Rand der Kampfarena und stürzt ihn hinunter. Der Rivale ist bezwungen.

Wir waren Zeugen eines dramatischen Zweikampfes zweier – Taufliegen. Drosophila melanogaster, wie die Art in Forscherkreisen genannt wird, kann auf eine langjährige wissenschaftliche Karriere zurückblicken – allerdings weniger als Prügelknabe, sondern vielmehr als genetisches Studienobjekt. Schon Thomas Morgan erkannte zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Vorteile der leichten Züchtung dieser nicht gerade seltenen Insekten und begründete mit ihnen die moderne Genetik. Inzwischen ist ihr Genom vollständig entziffert, die Tiere dürfen sich zu den am besten untersuchten Organismen zählen. Nur – über ihr Aggresionsverhalten weiß man so gut wie nichts.

Diesen Zustand gedachten Edward Kravitz und Nina Bowens von der Harvard Medical School zu ändern. Als Boxring für die Fliegen wählten sie ein Schälchen mit einem Durchmesser von einem Zentimeter, das auch gleichzeitig etwas zu fressen zu bieten hatte. Die Streithähne waren drei bis fünf Tage alte Männchen, die noch niemals in ihrem Leben einen anderen Artgenossen – geschweige denn ein Weibchen – zu Gesicht bekommen hatten. Diese Unerfahrenheit garantierte den Forschern, dass die Fliegen nur ihr genetisch programmiertes und kein erlerntes Verhalten zeigten.

Natürlich brauchten die beiden Ringkämpfer auch ein Streitobjekt, das den Einsatz ihrer Mühen lohnte. Dafür musste eine Fliegendame herhalten. Doch auch das war nicht so einfach, denn die Weibchen zeigten wenig Neigung, den Wettkampf der beiden Freier länger zu verfolgen, sondern verdrückten sich schnell. Also mussten die beiden Forscher zu einem etwas brutalen Trick greifen: Sie köpften die Dame.

Jetzt konnte das Gemetzel starten, das die Forscher per Video verfolgten und hinterher geflissentlich auswerteten. Dabei zeigten die Fliegenkämpfer unterschiedliche Verhaltensweisen: Am harmlosesten war noch das Drohen mit aufgestellte Flügeln und die Verfolgung des ungeliebten Konkurrenten. Zeigte das keine Wirkung, fingen sie an, sich gegenseitig anzurempeln. Half auch das nichts, dann stellten sich die Fliegen auf ihre Hinterbeine und prügelten mit ihren vorderen und mittleren Beinen regelrecht aufeinander ein. Am agressivsten zeigte sich dabei meist das Männchen, das zuerst das Areal betrat und es damit auch als sein Revier betrachtete.

Nachdem sich ihr wahrer Charakter offenbart hat, kehren die Taufliegen nun wieder zu ihrer alten Forscherkarriere zurück – als Versuchstier der Genetik. Kravitz und Bowens wollen nach den Genen fahnden, die das Verhalten steuern und unscheinbare Fliegen in brutale Boxer verwandeln.

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