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Menopause: Auch Schimpansenweibchen kommen in die Wechseljahre

Bislang kannte man die Menopause nur von fünf Spezies: Menschen und vier Zahnwal-Arten. Nun kommt mit den Schimpansen eine weitere dazu. Der evolutionäre Vorteil ist weiterhin unklar.
Ein ältere Schimpansendame, die bereits in der Menopause ist, sitzt im Wald
Die Ngogo-Schimpansen leben einigermaßen abgelegen in Uganda und sind von menschlichen Aktivitäten weitgehend verschont geblieben. Mehrere ältere Weibchen wie die hier gezeigte Ma Rainey zeigen eine Menopause. Bislang war nicht bekannt, dass auch Schimpansen in die Wechseljahre kommen.

Die überwiegende Mehrheit der Säugetiere bleibt bis zum Ende ihres Lebens fruchtbar. Das ist aus evolutionärer Sicht auch durchaus sinnvoll. Denn je mehr Nachwuchs produziert wird, desto höher die Chance, die eigenen Gene weiterzugeben. Aus diesem Grund (und anderen) galt der Mensch bislang als überaus seltsam. Frauen kommen in einem Alter von durchschnittlich etwa 50 Jahren in die Menopause, das heißt, sie werden unfruchtbar, obwohl sie noch Jahrzehnte weiterleben können. Dieses Phänomen war bislang nur von vier weiteren Tierarten bekannt, die allesamt zu den Zahnwalen gehören: von Belugas (Delphinapterus leucas), Narwalen (Monodon monocerus), Schwertwalen (Pseudorcus crassidens) und Kurzflossen-Grindwalen (Globicephala macrorhynchus).

Nun kommt wohl eine weitere Tierart hinzu. Eine internationale Forschungsgruppe um Brian Wood vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und der University of California in Los Angeles sowie Kevin Langergraber von der Arizona State University hat Hinweise darauf gefunden, dass auch weibliche Schimpansen in Uganda Anzeichen der Menopause zeigen – und noch lange nach dem Ende ihrer Fortpflanzungsfähigkeit weiterleben. Ihre Ergebnisse haben sie im Fachmagazin »Science« veröffentlicht.

Es ist schwierig zu erklären, wie und warum sich die Menopause entwickelt hat, denn die evolutionären Vorteile sind nicht offensichtlich. Ein beliebte, aber nicht eindeutig belegte Erklärung ist die »Großmutter-Hypothese«. »In Gesellschaften auf der ganzen Welt spielen Frauen jenseits des gebärfähigen Alters eine wichtige Rolle, sowohl in wirtschaftlicher Hinsicht als auch als weise Beraterinnen und Bezugspersonen«, sagt Brian Wood, außerordentlicher Professor für Anthropologie an der University of California in Los Angeles, laut einer Pressemitteilung der Universität. Offenbar wiege der Nutzen der von älteren Frauen an ihre Nachkommen weitergegebenen Erfahrungen die von ihnen verbrauchten Ressourcen auf.

Ebenfalls unklar ist, warum zwar der Mensch, aber anscheinend kaum andere langlebige Primaten in die Wechseljahre kommen. Das wiederum könnte daran liegen, dass Säugetiere in der freien Wildbahn einfach nicht alt genug werden und bereits vorher an Nahrungsknappheit, Infektionen, Parasiten, Verletzungen, Konflikten mit Konkurrenten oder durch Fressfeinde sterben.

Für ihre Studie untersuchten die Wissenschaftler die Sterblichkeits- und Fruchtbarkeitsraten von 185 wild lebenden, weiblichen Schimpansen in der Ngogo-Gemeinschaft im Kibale-Nationalpark. Insgesamt decken die Daten einen Beobachtungszeitraum von 21 Jahren ab. Daraus berechneten die Autoren die so genannte postreproduktive Repräsentation (PrR). Diese Kennzahl gibt an, wie groß der durchschnittliche Anteil der postreproduktiven Phase an der Lebensspanne eines erwachsenen Schimpansenweibchens ab dem Eintritt in die Fruchtbarkeit ist. Während die meisten Säugetiere, darunter auch andere Schimpansenpopulationen, einen PrR-Wert nahe null aufweisen, entdeckten die Autoren, dass die Ngogo-Schimpansen einen PrR-Wert von 0,2 hatten. Das bedeutet, dass die Weibchen im Durchschnitt 20 Prozent ihrer Erwachsenenjahre in einem postreproduktiven Zustand leben. Dieser Wert liegt in der Nähe der Werte, die für Menschen (0,3 bis 0,47) und die oben genannten Walarten (0,24 bis 0,4) errechnet wurden.

Darüber hinaus zeigten Urinproben von 66 Schimpansenweibchen unterschiedlichen Alters, dass auch bei ihnen der Eintritt in die Wechseljahre davon gekennzeichnet ist, dass vermehrt Hormone aus der Gruppe der Gonadotropine ausgeschüttet werden, während der Östrogen- und Gestagenspiegel gleichzeitig sinkt. Ähnliche hormonelle Veränderungen kennt man auch von der menschlichen Menopause.

Konkurrenz zwischen älteren und jüngeren Weibchen

Im Gegensatz zum Menschen waren die nicht mehr fortpflanzungsfähigen Schimpansenweibchen in der Ngogo-Population jedoch nicht an der Aufzucht der Kinder beteiligt. Das deutet darauf hin, dass die »Großmutter-Hypothese« in diesem Fall nicht zutrifft. Die Forschungsgruppe führt deshalb die »Hypothese des Fortpflanzungskonflikts« an, um die Menopause zu erklären. Demnach konkurrieren die älteren Weibchen mit den jüngeren Weibchen um begrenzte Fortpflanzungsmöglichkeiten. Die älteren stellen möglicherweise die Reproduktion ein, damit den jüngeren Weibchen mehr Ressourcen zur Verfügung stehen. Das erhöht die evolutionäre Fitness der gesamten Gruppe, da die Chance, dass gesunde Nachkommen zur Welt kommen, steigt. Für den Menschen schließen sich die beiden Hypothesen nicht gegenseitig aus. Sie können beide erforderlich sein, um zu erklären, warum alle menschlichen Gesellschaften eine noch höhere PrR aufweisen als die Ngogo-Schimpansen.

»Die Studie unterstreicht auch, wie wichtig Langzeit-Feldstudien dafür sind, das Verständnis der menschlichen Biologie und des Verhaltens zu erweitern«Michael Cant, Evolutionsbiologe

Die Forschungsgruppe nennt zwei Gründe, warum sich die Menopause in dieser speziellen Schimpansen-Gemeinschaft beobachten lässt, nicht aber in anderen. So könnte es einerseits sein, dass die Ngogo-Schimpansen recht ungestört leben – ohne nennenswerten Kontakt zu Fressfeinden oder anderen konkurrierenden Gruppen. Entsprechend wäre ihre Lebensspanne ungewöhnlich lang, ganz ähnlich der des Menschen. In diesem Fall würde der hohe PrR-Wert zeigen, wie unflexibel die Dauer der fruchtbaren Lebensphase gegenüber Veränderungen der ökologischen Bedingungen sei. Eine solche Unflexibilität wird auch beim Menschen beobachtet: Das durchschnittliche Alter, ab dem Frauen in die Wechseljahre kommen, ist seit mehr als einem Jahrhundert stabil geblieben, trotz erheblicher Verbesserungen bei der Ernährung, der Gesundheitsversorgung und der Lebenserwartung.

Alternativ dazu könnten die Ngogo-Schimpansen auch unter Bedingungen leben, die verhältnismäßig repräsentativ für ihre evolutionäre Vergangenheit sind. Die Ngogo-Population lebt einigermaßen abgelegen und ist von menschlichen Aktivitäten weitgehend verschont geblieben. Frühere Forschungen könnten die Lebensspanne wild lebender Schimpansen also unterschätzt haben. »Die Studie unterstreicht auch, wie wichtig Langzeit-Feldstudien dafür sind, das Verständnis der menschlichen Biologie und des Verhaltens zu erweitern«, schreibt der Evolutionsbiologe Michael Cant, der nicht selbst an der Studie beteiligt war, in einem Begleitartikel. Leider müssten diese oft mit einem kleinen Budget auskommen und seien fortwährend davon bedroht, ganz plötzlich eingestellt zu werden. Weitere Untersuchungen an den postreproduktiven Ngogo-Weibchen könnten womöglich helfen, offene Fragen zur Menopause bei Primaten zu beantworten.

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