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Naturkatastrophen: Nachbeben halten seit Jahrhunderten an

Auf starke Beben folgen immer auch Nachbeben. In besonderen Fällen aus Nordamerika halten diese seit 1811 an – inmitten des eigentlichen stabilen Kerns des Kontinents.
Straßenszene aus Charleston, South Carolina: Im Hintergrund die weiße St.-Michaels-Kirche, der Himmel ist blau, Palmen säumen den Straßenrand.
Die Idylle trügt: Auch in Charleston, South Carolina, kann die Erde stark beben, obwohl die Stadt weit entfernt von Plattengrenzen liegt.

Mehrere schwere Erdbeben ließen den Boden in den letzten Jahrhunderten im Inneren Nordamerikas zittern: 1663 im südöstlichen Quebec, eine Serie von 1811 bis 1812 im Grenzbereich von Missouri und Kentucky sowie 1886 in Charlston, South Carolina. Ihre Stärke reichte von einer Magnitude von 6,5 bis 8,0, und sie alle fanden weit von Plattengrenzen im eigentlichen stabilen Kern des Kontinents statt. Diese so genannten Intraplattenbeben kommen zwar selten vor, können dann aber dennoch schwere Schäden verursachen – und teils über Jahrhunderte Nachbeben auslösen, wie eine Studie von Yuxuan Chen und Mian Liu von der University of Missouri in Columbia in »Journal of Geophysical Research: Solid Earth« andeutet.

Nachbeben sind nach schweren Erschütterungen normal und können über Wochen und Monate stattfinden, wobei ihre Stärke nach und nach abnimmt. Dabei bauen sie weitere Spannungen an der Verwerfungslinie ab, bis die Region allmählich zu einer relativen Ruhe kommt. Auch im Bereich der drei Intraplattenbeben zittert die Erde immer wieder, wobei viele Ereignisse kaum spürbar sind und nur von Seismometern aufgezeichnet werden. »Um herauszufinden, ob es sich dabei um die Nachwehen der vergangenen Katastrophen oder nur um das normale seismische Grundrauschen in der Region handelt«, werteten Chen und Liu die Daten statistisch aus und setzten sie in Bezug zu aktuellen Erkenntnissen zur Seismik der drei Gebiete.

Nachbeben häufen sich in der Nähe des Epizentrums des ursprünglichen Erdbebens, so dass Chen und Liu Erdbeben in einem Radius von 250 Kilometern um die historischen Epizentren einschlossen. Sie konzentrierten sich auf Ereignisse mit einer Stärke von 2,5 oder mehr: Schwächere Ereignisse lassen sich nur schwer zuverlässig aufzeichnen. Mit Hilfe der »Nearest Neighbour«-Methode errechneten sie dann, ob es sich bei den jüngsten Erdbeben eher um Nachbeben oder um eine seismische Hintergrundaktivität handelt. Nachbeben treten eher in der Nähe des ursprünglichen Epizentrums auf, bevor die seismische Hintergrundaktivität wieder zunimmt. Daraus können Wissenschaftler die grundlegende seismische Hintergrundaktivität einer Region und den Standort eines Erdbebens nutzen, um ein gemessenes Beben mit dem vorherigen Hauptschlag in Verbindung zu bringen.

»Man verwendet die Zeit, die Entfernung und die Stärke von Ereignispaaren und versucht, die Verbindung zwischen zwei Ereignissen zu finden«, sagt Chen. »Wenn der Abstand zwischen einem Erdbebenpaar geringer ist, als auf Grund von Hintergrundereignissen zu erwarten wäre, dann ist ein Erdbeben wahrscheinlich das Nachbeben des anderen.« Ausgehend von dieser räumlichen Verteilung kommen die beiden Wissenschaftler zu unterschiedlichen Schlüssen: Im Fall von Quebec und dem Beben 1663 endete die Nachbebenserie bereits; jetzige Erschütterungen sind Teil der natürlichen seismischen Hintergrundaktivität.

Anders liegt der Fall bei den Katastrophen von 1811/1812 und 1863: In der Nähe der Grenze zwischen Missouri und Kentucky – dem Beerich des New-Madrid-Bebens – fanden die Forscher heraus, dass immer noch knapp ein Drittel aller Erdbeben zwischen 1980 und 2016 wahrscheinlich Nachbeben der Bebenserie zwischen 1811 und 1812 sind. In Charleston, South Carolina, trifft dies auf 16 Prozent der heutigen Beben zu.

Die an der Studie nicht beteiligte Geologin Susan Hogan vom US Geological Survey ist von dieser Genauigkeit der Zuordnung noch nicht vollständig überzeugt, wie sie in einer Mitteilung sagt. Die Entfernung zwischen den Epizentren und neuerlichen Beben sei nur ein Teil des Puzzles. »In mancher Hinsicht sehen die Erdbeben wie Nachbeben aus, wenn man sich die räumliche Verteilung anschaut; aber sie könnten aus mehreren Gründen dicht beieinanderliegen«, so Hough. »Zum einen handelt es sich um Nachbeben, aber es könnte auch ein Kriechprozess (der Verwerfungslinie, Anm. d. Red.) im Gange sein, der nicht Teil eines Nachbebenprozesses ist. Was die Ergebnisse von Chen und Liu genau bedeuten, ist noch offen.«

Da Nachbeben ebenso wie die seismische Hintergrundaktivität erneut Spannung auf Bruchzonen aufbauen und zu weiteren starken Beben führen können, ist es wichtig, ihre Natur zu verstehen. Auch wenn Intraplattenbeben sehr selten auftreten, können sie verheerend ausfallen, wie verschiedene Beispiele aus den letzten Jahrzehnten lehren. Das Intraplatten-Erdbeben in Gujarat 2012 etwa kostete mehr als 20 000 Menschen das Leben.

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