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Pompeji: Trojanischer Krieg beflügelte Römer zu geistreichen Gesprächen

In Pompeji haben Archäologen einen Bankettraum mit gut erhaltenen Malereien entdeckt. Die Bilder handeln von tragischen Schicksalen und sollten einst zu Gedankenspielen anregen.
Apoll und Kassandra in einer pompejanischen Wandmalerei.
Apoll (links) lehnt sich auf seine Kithara, während er zu Kassandra blickt. Die Seherin sitzt auf einem Kultstein und stützt ihren Kopf mit der Hand – vermutlich soll die Geste Verzweiflung ausdrücken. Die Wandmalerei schmückt einen Bankettraum in Pompeji.

Helena und Paris, Apoll und Kassandra – bei Grabungen in der römischen Stadt Pompeji, die 79 n. Chr. beim Ausbruch des Vesuvs verschüttet wurde, haben Archäologen einen großen Bankettraum mit gut erhaltenen Wandmalereien frei gelegt. Der schwarz bemalte Saal ist mit Bildern aus dem Mythenkreis des Trojanischen Kriegs dekoriert. Die Darstellungen sollten vermutlich den Gästen des Hauses Stoff für Gespräche liefern – ein solches antikes Raumkonzept nehmen Archäologen auch für andere römische Wohnhäuser an. Im Fall des neu entdeckten Bankettsaals handeln die Bilder von tragischen Schicksalen, von Liebesbeziehungen, die ein unheilvolles Ende nehmen, wie der Archäologische Park von Pompeji mitteilt.

Im Wanddekor des ungefähr 86 Quadratmeter großen Bankettraums fallen zwei Bilder auf: Es handelt sich um mythische Paare aus dem Trojanischen Krieg. Zum einen stehen sich der trojanische Prinz Paris und die griechische Königsgattin Helena gegenüber, zum anderen blickt der Gott Apoll auf die trojanische Seherin und Prinzessin Kassandra. Im Mythos ziehen die Beziehungen beider Paare großes Unheil nach sich. Paris verliebt sich in Helena, die Frau des spartanischen Königs Menelaos, und entführt sie nach Troja. Der Affront löst den Trojanischen Krieg aus. Und Apoll verliebt sich in die sterbliche Kassandra, die den Gott jedoch zurückweist – was der nicht so gut verarbeitet und die Prinzessin mit einem Fluch belegt: Auf Grund ihrer seherischen Fähigkeiten soll sie das grausame Ende Trojas voraussehen, doch keiner wird ihren unheilvollen Weissagungen Glauben schenken. Entsprechend hockt Kassandra in der Wandmalerei verbittert mit losem Haar auf einem Kultstein des Apoll, wie die Archäologen um den Parkdirektor Gabriel Zuchtriegel in ihrer Zeitschrift »Scavi di Pompei« erklären.

Die Bilder galten nicht nur der Zierde, sondern die Themen nehmen Bezug aufeinander und sollten die Gäste zu Gesprächen anregen. In diesem Fall handeln die Darstellungen »von Liebesaffären, die mit unheilvollen Vorzeichen behaftet sind und zum Krieg und zum Fall Trojas führen«, schreiben Zuchtriegel und seine Kollegen. Womöglich sollten die tragischen Schicksale oder auch die Ohnmacht und Untätigkeit der Menschen thematisiert werden, sich gegen die Fügung zu stemmen.

Helena und Paris | In der Malerei von Helena und Paris, die auf Griechisch als Alexandros und Elene bezeichnet sind, ist auch eine Dienerin abgebildet. Paris ist für die Antike typisch in orientalischer Kleidung wiedergegeben – in Hose und langärmeligem Oberteil. Der Hund und sein Hirtenstab kennzeichnen den Prinzen als Hirten. Als solcher wird er auch im Mythos beschrieben.

Die Archäologen weisen die Wandmalereien stilistisch dem so genannten 3. Stil zu und datieren sie in die letzten beiden Jahrzehnte des 1. Jahrhunderts v. Chr. Der Bankettraum ist Teil eines Häuserkomplexes in der Insula 10 (Wohnblock) des 9. Stadtbezirks (»regio IX«) von Pompeji. Laut den Forschern fanden in dem Saal, als der Vesuv ausbrach, umfassende Renovierungsarbeiten statt. Davon zeugen Stapel mit Baumaterialien und die Malereien selbst, die stellenweise aufgefrischt worden waren.

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